von Martina Sander
Der neue Film von André Øvredal
Eine junge schöne Frau, unversehrt, unbekannt und mausetot, wird am späten Abend bei zwei Gerichtsmedizinern abgeliefert; der örtliche Sheriff braucht über Nacht nähere Erkenntnisse zur Todesursache von „Jane Doe“. Vater und Sohn, die in ihrer Südstaaten-Villa im Keller das örtliche Leichenschauhaus untergebracht haben, streifen sich trotz alternativer Wochenendpläne ihre Gummihandschuhe über, treten an den Autopsie-Tisch und holen in den Nachtstunden allerhand Mysteriöses aus dem makellosen Körper. Äußerlich weist die Leiche zwar keine Verletzungen auf, ihre Innenhaut ist jedoch durch Narben entstellt: Sie ist verbrannt, verstümmelt, gefoltert worden — und fast 400 Jahre alt, wie das Tuch ergibt, dass sie dem Magen entnehmen. Während Tommy und Austin der Sache noch versuchen, einen Sinn abzutrotzen, ist ihr Leben längst in den Händen dunkler Mächte.
Gleich zu Beginn — die schöne Leiche liegt auf dem Pathologen-Tisch — kriecht aus deren Nase, zusammen mit einem Rinnsal aus Blut, eine Schmeißfliege. Die fliegt zum Licht und zerfällt, begleitet von einem gemeinen Knistern. Klar ist, dass es sich bei „The Autopsy of Jane Doe“ kaum um eine romantische Komödie handelt. Den Film aber einfach nur ins (Kühl-)Fach Horror abzuschieben, würde ihm nicht gerecht, der weit mehr abdecken kann. Die erste Hälfte der Inszenierung gleicht fast einer Dokumentation. Die beteiligten Figuren bemühen sich um Sachlichkeit, Professionalität, Normalität: Versierte Pathologen gehen ihrer gewohnten Arbeit nach. Das Setting im Sezierraum ist zwar eng, die Atmosphäre beklemmend, aber nur für die Zuschauer. Die Mediziner sind unaufgeregt, unterhalten sich über Privates, ziehen allenfalls die Augenbraue hoch. Der norwegische Regisseur André Øvredal („Troll Hunter“) versteht es durch eine ihm eigene Ästhetik, durch Farbe und vermeintliche Authentizität, einem Film mit sehr amerikanischer Historie, ein typisch skandinavisches Label zu verpassen. Natürlich kriecht der Grusel den Rücken hoch, der Atem verändert sich und mit jeder Minute wird der Film schockierender, bis er in einem Horrorszenarien-Showdown endet. Aber „The Autopsy of Jane Doe“ ist vor allem ein sehr gelungenes Kammerspiel skandinavischer Prägung: konzentriert, minimalistisch, ästhetisch.
„The Autopsy of Jane Doe“
Von André Øvredal
Mit Emile Hirsch, Brian Cox, Ophelia Lovibond mehr
Genres: Horror, Thriller
Produktion: Großbritannien, USA; 2017