Das Babylonkino am Rosa-Luxemburg-Platz zeigte die Deutschlandpremiere des Dokumentarfilms OPEN, der in Berlin lebenden Regisseurin Ivalo Frank. Der einstündige Film gibt Einblick in das Leben von fünf grönländischen Schwerverbrechern, die, auf Grund einer festgestellten geistigen Störung, in der geschlossenen psychiatrischen Klinik R3 in Dänemark festgehalten werden.
Frank rollt im Film die einzelnen Geschichten von hinten auf. Ihre fünf kriminellen Interviewpartner erzählen in ihren kargen Zimmern sitzend von Hoffnung und Freiheit, von ihren Familien daheim in Grönland, von Kindheitserinnerungen, ihren Wünschen für die Zukunft. In kontrastreichem schwarz-weiß werden die Insassen beim Gewichte stemmen, Zigarettenrollen und Arbeiten gezeigt. Scheinbar alltägliche Momente zufriedener Menschen.
Erst die nächsten Antworten fokussieren das Hier. „Fünf Jahre“, „acht Jahre“, „viel zu lang“ erwidern die Eingesperrten. Solange sind sie schon in Gewahrsam. „Bald“, „irgendwann“, „vielleicht nie“ kommen sie dort wieder raus, keiner kennt ein genaues Datum. Alle fünf haben vor langer Zeit ein Behandlungs- oder Verwahrungsurteil bekommen — auf unbestimmte Zeit. Verwahrt werden sie nun in Dänemark, weit weg von der Heimat und der Familie. Behandelt werden sie auf Dänisch, einer Sprache, die es dann vor Ort zu lernen gilt.
Auf Dänisch erzählen sie auch von ihrem Leben in Gefangenschaft. „Am Anfang war es schwer, ich weinte jeden Tag“, „hier drinnen sind wir keine Menschen mehr“, „ich fühle mich hier oft allein“. Gezeigt werden verzweifelte Menschen, hoffnungslos und allein gelassen. Erst zum Ende des Films werden wie beiläufig noch die Gründe für die totale Sicherheitsverwahrung genannt. „Mord“, „Mord“, „Mord“. Doch das scheint jetzt weniger wichtig. Einen Mörder kann man schnell verurteilen, einen Menschen jedoch nicht.
In Zusammenarbeit mit dem Herning Museum of Contemporary Art in Dänemark filmte Frank in nur sechs Tagen die Interviews in der geschlossenen Abteilung. Getroffen hatte sie ihre Interviewpartner davor nur ein Mal, erzählt haben sie trotzdem. „It’s all about trust“, beschreibt sie ihre Zusammenarbeit, „trust that they won’t harm me, trust that I will tell their story right. So it worked.“
Frank legt den Fokus ihrer Dokumentation klar auf die Menschen, nicht auf das Verbrechen. Mit reduzierten, langen Bildern gibt sie Einblick in das Seelenleben dieser fünf Grönländer, die fern der Heimat vor sich hin vegetieren, ohne Hoffnung, ohne absehbares Ende. Sie hinterfragt im Film nicht die gegebenen Zustände, sie visualisiert sie nur. Und die Fragen, die Diskussionen kommen dann von allein. Wie lässt sich R3 menschenrechtlich vertreten? Wie soll ein Mensch erfolgreich therapiert werden, wenn er die Sprache nicht versteht? Wieso fühlen sich weder Dänemark noch Grönland für diese Menschen verantwortlich? Wieso wird es wohl erst in 2017 ein Gefängnis auf Grönland geben? Diese Fragen und viele weitere stehen alle noch vor ihrer Beantwortung. Denn Verantwortungen werden abgeschoben, das Thema ist in Dänemark und Grönland noch immer ein Tabu. Erst OPEN hat die Diskussion ins Rollen gebracht und die Thematik wieder in den öffentlichen Fokus gestellt. Ein Anfang, wenn auch ein kleiner.
Es lohnt sich jedoch in jedem Fall den Film anzuschauen!
Info:
Regisseurin: Ivalo Frank
Sprache: Dänisch mit englischen Untertiteln
Länge: 60min
Jahr: 2012
Weitere Informationen zu Ivalo Frank hier!
Unser Interview mit Ivalo Frank über “Grönland zwischen Gestern und Heute”.