Nachdem Emmelie De Forest letztes Jahr mit ihrem Song „Only Teardrops“ den Eurovision Song Contest für sich entscheiden konnte und ihn damit nach Dänemark holte, findet er dieses Jahr in Kopenhagen statt. Das Gastgeberland nahm den Wettbewerb zum Anlass intensives Nation Branding zu betreiben und wiederholt auf die Vorzüge des Landes und die der Hauptstadt zu verweisen. So preisen u.a. der Tourismusverband und die dänische Botschaft in Deutschland seit Wochen die Lebensqualität, die Tourismusattraktionen und die Innovationsfähigkeit Dänemarks und „Europas Grüner Hauptstadt 2014“ an.
Entsprechend seiner Vorreiterrolle feierte Dänemark diese Woche noch ein anderes Ereignis: Vor 25. Jahren, am 9. Mai 1989, legalisierte Dänemark als erstes Land der Welt gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Aus diesem Anlass traute das Rathaus der Stadt Kopenhagen den letzten drei Tage dutzende Paare aus aller Welt.
Skandinavisch zurückhaltend wird die Show aber nicht, sondern gewohnt Eurovision-typisch pompös. Gleich drei namhafte Moderatoren werden durch den Abend führen – Nikolaj Koppel, Pilou Asbæk und Lise Rønne. Der Schauspieler Johan Philip (Pilou) Asbæk ist in Deutschland vor allem aus der Serie Borgen als Spindoktor Kasper Juul bekannt. Auch er verzichtete nicht darauf, den ESC zum Anlass zu nehmen, seine Heimatstadt Kopenhagen von ihrer besten, wenn auch nicht realistischen Seite zu präsentieren:
Die Dänen blicken auf eine erfolgreiche ESC-Geschichte zurück. Seit 1957 sind sie dabei und konnten in 42 ESC-Teilnahmen 24 Top-Ten-Plätze und drei Siege einstreichen. Als Titelverteidiger im diesjährigen Wettstreit tritt der junge Kopenhagener Basim (Anis Basim Moujahid) an. Der heute 21-Jährige begann seine Karriere bei der Casting-Show X Factor, bei der er 2008 das Viertelfinale erreichte. Seither hat er zwei Alben veröffentlicht und versucht nun mit seinem „Cliché Love Song“ Dänemark den vierten Gewinn zu ersingen. Der Titel verrät eigentlich schon alles über den Song – der Text („skuba duba dabda dididaj“) ist vielleicht nicht der stärkste oder einfallsreichste, aber immerhin ist der Song von Basim selbst geschrieben, frei von dem ESC-üblichen Pathos und er verbreitet durchaus gute Laune. Die Popnummer hat Potential Dänemarks Erfolgsserie fortzusetzen.
Doch die Nachbarländer warten mit starker Konkurrenz auf. Denn insgesamt stehen die nordeuropäischen Teilnehmer gut dar. Allen voran mal wieder Schweden. 1958 hat das skandinavische Land erstmals beim Eurovision Song Contest teilgenommen und seither fünfmal gesiegt: 1974 holten Abba mit „Waterloo“ den Grand Prix und zuletzt Loreen 2012. Bei 53 ESC-Teilnahmen landete Schweden 35 Mal unter den ersten zehn. „Im Jahr 40 nach Abba“ versucht Sanna Nielsen mit ihrem Song „Undo“ die europäische Konkurrenz auszustechen. Sanna konnte über viele Jahre Wettbewerbserfahrung sammeln: Ganze sieben Mal versuchte sie das schwedische Melodifestivalen, den nationalen ESC-Vorentscheid, für sich zu entscheiden und gewann auch dieses Jahr nur sehr knapp. An ihrer Popballade ist gesanglich sicher wenig auszusetzen und sie ist ESC-tauglich, abgesehen von dem Refrain ist sie für mich aber wenig speziell. Von den Buchmachern werden ihr jedoch gute Chancen eingeräumt.
Finnland ist wohl eines der erfolglosesten Teilnehmer-Länder. Regelmäßig landeten die Finnen auf den letzten drei Plätzen, wenn sie denn überhaupt im Finale vertreten waren. Eine Ausnahme, die aber umso herausstechender war, waren Lordi, die 2006 mit „Hard Rock Hallelujah“ in ungewohnter Härte und Kostümierung den Sieg errangen. Die Boyband Softengine versucht dieses Jahr erneut mit Finnlands ESC-Schicksal zu brechen und eine bessere Platzierung zu erzielen. Softengine sind zumindest eine der wenigen Teilnehmer im Wettbewerb, die als Bands auftreten und einfach ihre Instrumente bedienen statt auf eine große Show mit Pyroeffekten und Tänzern zu setzten. Ihr Song „Something Better“, den sie selbst geschrieben haben, taugt in seiner Indie-Rock-Pop-Manier auf jeden Fall als Radiohit und ist durch die hohen Töne im Refrain gesanglich durchaus anspruchsvoll.
Norwegens ESC-Vergangenheit ist recht zwiespältig. Einerseits landete es am häufigsten (11 Mal) auf dem letzten Platz, andererseits konnte es schon drei triumphale Siege einstreichen, zuletzt 2009 mit „Fairytale“ von Alexander Rybak. Mit einem kontrastreichen Beitrag versucht Norwegen heute seine Bilanz zu verbessern. Der tätowierten Hüne Carl Espen, eigentlich Schreiner und Türsteher, überrascht mit einer gefühlvollen Ballade und einem zurückgenommen Auftritt. Mit zerbrechlicher Stimme, begleitet von einem Klavier und Streichern singt Espen seinen Song „Silent Storm“ und hinterlässt damit einen sympathischen und irgendwie bezaubernden Eindruck.
Meine 12 Punkte gehen jedoch an die Isländer Pollapönk und ihrem Song „No Prejudice“. Island nimmt erst seit 1986 am ESC teil und konnte bisher noch keinen Gewinn erzielen. Dies Jahr bescheren Pollapönk ihrem Land hoffentlich aber zumindest eine Platzierung unter den ersten Zehn. Die Isländer sparen weder an Witz noch am Aussagegehalt ihres Songs. Der Stil der Band erinnert an 80er Jahre Spaßpunk. Mit ihren bunten Anzügen, einer ansprechenden Choreographie und einer äußerst eingängigen Melodie verbreitet sie ihre Botschaft von Toleranz und Spaß.
Lassen wir uns also überraschen wie die Protagonisten unseres Blogs – Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen und Island – heute Abend beim ESC in Kopenhagen abschneiden. Für welchen Beitrag würdet ihr anrufen?
Weitere Infos und alle Teilnehmer findet ihr hier.