So gut wie täglich fahren wir mit der Berliner U‑Bahn. Von Osten nach Westen, von Süden nach Norden oder durch die Mitte. Doch wer steckt eigentlich hinter der Verwirklichung unseres umfassenden Streckennetz? Dass es ein Schwede war, dessen Werk Peter Behrens ebenbürtig ist, wissen nur die Wenigsten!
Der in Skövde geborene Alfred Grenander (1863–1931) war es, der einen Großteil unserer Berliner Hoch- und Untergrundbahn gestaltet hat. Zwischen den Jahren 1900 und 1931 entwarf er etwa 70 Bahnhöfe, die auch noch heute weitgehend im Originalzustand erhalten sind.
Der erste Spatenstich zur Berliner U‑Bahn erfolgte am 10. September 1896. Der Architekt Grenander wurde zunächst zu dem Großprojekt hinzugezogen, um der Bahnstrecke ein ansehnliches Äußeres zu verleihen. Die geplanten Pfeiler der Hochbahn waren den Berlinern nämlich zu hässlich und sie verlangten mehr Ästhetik. Und erst Grenanders Entwürfe mit der grazilen Formgebung des Jugendstils trafen den Geschmack der Bürger. Besonders zwischen den Stationen Bülowstraße und Nollendorfplatz und vom Kottbusser bis zum Schlesischen Tor finden sich heute noch die Originalviadukte und laden ein, sich eine eigene Meinung über Grenanders Designs zu bilden. Auch an einigen Bahnhofseingängen sind seine geschwungenen Jugendstilornamente zu finden, wie beispielsweise in der Klosterstraße, dem Spittelmarkt oder der Stadtmitte.
Später inspirierte der Neoklassizismus Grenander beim Bau mancher Bahnhöfe. Der eklektizistische Stil des imposanten Bahnhofs am Wittenbergplatz aus dem Jahre 1913 ist auch heute noch eindrucksvoll, das Gebäude gilt als Grenanders Hauptwerk. Wer das nächste Mal dort ein- oder aussteigt, sollte einen genaueren Blick in die restaurierte Vorhalle werfen, denn die gekachelten Wände mit den floralen Verzierungen und den detailreichen Fenstern basieren auf den Ideen des schwedischen Architekten.
Und was die Hertha-Fans samstäglich schätzen: Auch das mit rotem Klinker verzierte Eingangsgebäude des Bahnhofs Olympia Stadion gehört zu Grenanders wichtigsten Werken, das er für die Olympischen Spiele 1936 aufzuhübschen beauftragt worden war. Grenanders durchgehende Präsenz ist für aufmerksame U‑Bahn-Fahrer/-innen aber besonders auf den Bahnhöfen der heutigen Linie 2, 1 und 8 erkennbar. 1902 eröffnete die erste U‑Bahnstrecke, die sogenannte Stammstrecke, die heute in die Linien 2 und 1 geteilt wurde und für deren gesamten Bau und Gestaltung der Schwede verantwortlich war.
Er entwarf dafür ein Prinzip der „Kennfarbe“, wodurch sich jeder Bahnhof farblich von den anschließenden Bahnhöfen unterschied, aber dennoch eine Einheit bildete. Auf der Linie der jetzigen U2 sind es besonders die aufwendig gestalteten Stützpfeiler, die diese Farbkennung noch tragen. Auf anderen Bahnhöfen (hauptsächlich auf der Linie 6) ist es das Namensschild der jeweiligen Bahnhöfe, das eine unterschiedlich farbige Umrandung trägt.
Einer der schönsten Bahnhöfe Grenanders ist jedoch der jetzt denkmalgeschützte Bahnhof Klosterstraße. Er verfügt über zwei aufwendig gestaltete Vorhallen, die mit leuchtenden Kacheln und stilisierten Palmen verziert sind. (Die Kacheln waren glücklicherweise beim Nachbau des Ischtartors im Pergamonmuseum übrig geblieben.) Außerdem ist der wegen der Spreeunterführung sehr tiefliegende Bahnhof mittlerweile zu einem erfahrbaren Museum geworden: An den Wänden finden sich große Emailletafeln, die die Entwicklung der Berliner U‑Bahn darstellen.
Grenander zu Ehren wurde später der Platz vor dem Eingangsbereich der Station Krumme-Lanke zum Alfred-Grenander-Platz ernannt, das ebenfalls von ihm erbaute Verwaltungsgebäude der BVG in der Rosa-Luxenburg-Straße wurde zum Alfred-Grenander-Haus umbenannt und anlässlich zu Grenanders 150. Geburtstag wurde im Bahnhof Alexanderplatz eine Gedenksäule errichtet.
Zum Abschluss hier nur noch ein paar interessante Fakten über die U‑Bahn:
Die heutige U3 wurde ab 1907 gebaut. Grenander konnte diese Bahnhöfe besonders aufwendig und pompös gestalten, weil die damals eigenständige und äußerst wohlhabende Stadt Wilmersdorf bereitwillig für „ihre“ Bahnhöfe zahlte.
Die Station Märkisches Museum ist in Berlin einzigartig. Aufgrund der Spreenähe wurde die Station sechseinhalb Meter tief gebaut und Grenander konnte so eine große, geräumige Halle mit Korbbogengewölbe (Decke ohne Stützen) erbauen.
Berlins prächtigster Bahnhof ist immer noch der Hermanplatz. Grenander konnte dort protzen ohne Ende, bezahlt wurde der Bahnhof nämlich vom ersten Berliner Karstadt-Warenhaus, das sich so neue Kundschaft erhoffte und sogar einen direkten Zugang zur U‑Bahn erhielt.
Geplant war eigentlich nur eine Hochbahn zu errichten, doch die feine Gesellschaft wollte ihre Friedrichstraße nicht durch eine Hochbahn verschandelt sehen. Im damals armen Prenzlauer Berg sollte die Bahn dann ruhig oberirdisch verlaufen.
Weitere Informationen zu Grenander hier!
Weitere Informationen zur Geschichte der Berliner U‑Bahn hier!
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