von Martina Sander
Kommissarin Saga Norén, brillante Analytikerin mit eingeschränkter Gefühlspalette, ermittelt in Malmö wieder auf ihre ganz spezielle Asperger-Weise. Nun allerdings ohne ihren dänischen Kollegen Martin Rohde, der als verurteilter Mörder für zehn Jahre im Gefängnis einsitzt, nachdem Saga gegen ihren Kollegen und Freund ausgesagt hat. Die Fakten haben es verlangt und Empathie ist ja nicht ihre herausragende Charaktereigenschaft. Dann taucht zu Sagas Furcht und Schrecken ihre Mutter auf, zu der sie aus guten Gründen seit Jahren keinen Kontakt mehr pflegt. Saga muss plötzlich an vielen privaten und beruflichen Flanken kämpfen. Die Arbeit wird als Stabilisator das Wichtigste. Aber gerade das Gerüst aus Logik, auf das Saga setzen muss, wird fragiler, seitdem ihr Mentor Hans durch eine Chefin ersetzt wurde, die auf Sagas Arbeitsweise bei mehr Druck von oben mit Ungeduld reagiert.
Und „Familie“ wird nicht nur für Saga belastend. Wer mit wem wie in Skandinavien zusammenlebt, Kinder zeugt und versucht großzuziehen, ist das Thema, dem sich Staffel 3 der „Brücke – Transit in den Tod“ in allen Facetten widmet. Die erste Leiche (und es folgen viele) ist Gender-Aktivistin Helle Anker, Begründerin von Kopenhagens erstem geschlechtsneutralem Kindergarten. Sie wird kunstvoll arrangiert aufgefunden, zwischen Schaufensterpuppen, gruppiert als Familie beim Abendessen. Die Tote hinterlässt sowohl einen erwachsenen, als Soldat in Afghanistan traumatisierten Sohn wie eine Ehefrau mit gemeinsamem Kind. Die Ermordete ist wiederum das Hassobjekt einer Bloggerin, die den Verfall traditioneller Werte anprangert und ihre Tochter in Aggressionstraining unterrichtet. Dazu kommt ein Pechvogel von Pokerspieler, der das Geld seiner Frau verspielt, das sie als Leihmutter verdient; ein Paar, das ehemals Pflegekinder betreut hat; ein Pfarrer, der homosexuelle Paare traut, auch sie alle Teil eines hübsch inszenierten Kunstwerks. Ein Glück für Saga, dass wenigstens der zweite Kollege aus Kopenhagen tolerant und verständig ist, denn der schleppt selber reichlich Geheimnisse (und Medikamententüten) mit sich rum.
Die dritte Staffel ist sogar noch weit besser als ihre Vorgänger, eine der besten Scandi-Noirs überhaupt. Natürlich gibt es wieder reichlich Subplots, wie immer bei den Thrillern von Hans Rosenfeldt, aber der hauptsächliche Handlungsstrang ist stringenter. Immer noch superspannend, kommt Teil drei auch ohne die Brutalitäten der zwei früheren Miniserien aus – wobei es natürlich immer noch sehr, sehr viele Tote gibt. Die Musik ist wieder so gut, dass man den Vorspann gerne noch und noch mal hört, ohne hektisch vorspulen zu wollen, um Zeit zu sparen (die Miniserie umfasst immerhin fast 10 Stunden). Die Schauspielerriege ist authentisch und hervorragend besetzt, wobei der neue dänische Ermittlungspartner Henrik (Thure Lindhardt) eine echte Bereicherung darstellt, wir finden ihn sogar besser als seinen Vorgänger.
Bron/Broen gibt es endlich auch auf DVD und BluRay, was besonders für diejenigen interessant ist, die Filme am liebsten im Original schauen, denn neben einer deutschen Tonspur findet sich auch das schwedisch-dänische Original! (Ebenso wie deutsche Untertitel.)
Da die Staffel Sogpotenzial hat, empfiehlt es sich, die kommenden Feiertage zu nutzen, auf schlechtes Wetter zu hoffen und reichlich Proviant im Haus zu haben.
Info:
Titel: Bron/Broen
Erscheinungsjahr: Seit 2013
Produktionsland: Schweden/Dänemark
Darsteller: Sofia Helin, Thure Lindhardt, Dag Malmberg, Sarah Boberg, Maria Kulle
zdf.de/die-bruecke