Um ihre Invalidenrente aufzubessern, entscheiden sich der sensible Jonathan (Holger Andersson) und sein Freund Sam (Nisse Westblom) dafür, Spaß in das Leben anderer zu bringen — mit Scherzartikeln. Doch ihre Taschen, voll mit Lachsäcken, Vampirzähnen und Masken, wollen sich einfach nicht leeren. Dies liegt nicht zuletzt an mangelnder Kommunikationsfähigkeit, sowie unsicherem Auftreten, mit dem es ihnen schwer fällt, Kunden für ein Produkt zu begeistern. Auch die Verkaufssituationen sind nicht die Besten: Als sie zufällig in einer Bar landen bekommen sie die Möglichkeit bekommen, den Gästen ihre Klassiker vorzustellen. Doch plötzlich reitet der schwedische König Karl XII. in den Laden ein um dort sein letztes Mineralwasser, vor dem Feldzug gegen Russland, zu genießen und lenkt alle Aufmerksamkeit auf sich. Die Androhung der Chefin, beide aufgrund mangelnder Abnehmer zu kündigen, lässt nicht lange auf sich warten.
Nach Songs from the Second Floor (2000) und Das jüngste Gewitter (2007), schließt Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach Anderssons Du levande-Trilogie ab. Aus diesem Grund ist es weniger verwunderlich, dass das Leben im Fokus des Films steht. Nicht nur das Leben im Allgemeinen, sondern auch wie das Leben ist und was es bedeutet menschlich zu sein. Die Figuren sind beispielsweise Rentner, Arbeitslose oder unglücklich Verliebte mit gewöhnlichen Problemen.
Roy Anderssons Stil hingegen ist alles andere als gewöhnlich. Drei Begegnungen mit dem Tod leiten in den Film ein. Die Szenen stehen geschlossen für sich und haben zum restlichen Handlung keinerlei Bezug. Das weitere Geschehen verläuft puzzleartig: Die Geschichten der Personen werden abwechselnd aufgegriffen. Hin und wieder passen die Puzzleteile ineinander, wenn Menschen aus unterschiedlichen Handlungen in einer Szene zufällig zusammentreffen. Unter genauer Beobachtung der Akte keimt der Verdacht auf, Andersson habe versucht aus verschiedenen Puzzlen ein Ganzes zu machen. Dies gelingt ihm auch, denn am Ende entsteht ein Motiv von Mitgefühl und Menschlichkeit — das Werk eines Humanisten.
Richtig verwirrend wird der Film allerdings erst durch den auftretenden Anachronismus. Die Erscheinung König Karls XII. und seiner Gefolgschaft thematisiert zwei Aspekte zugleich: Männlichkeit und Homosexualität in der Gesellschaft. Nachdem allen Frauen das Aufsuchen von Bars untersagt wird, widmet sich der schwedische König einem jungen Barkeeper und sucht körperliche Nähe.
Weitere Besonderheiten des Kunstfilms sind unter anderem die langen Kamereinstellungen, wenig Schnitte und der Verzicht von Kamerabewegungen. Darüber hinaus macht Andersson, wie auch in seinen vorherigen Filmen, Gebrauch vom reduzierten Schauspiel. Die Hauptdarsteller Holger Andersson und Nisse Westblom sind übrigens keine ausgebildeten oder renommierten Profischauspieler, wirken aber dennoch authentisch. Ihre erste Filmrolle hatten beide im zweiten Teil der Trilogie Das jüngste Gewitter.
Obwohl ich ohne Erwartungen an den Film ran gegangen bin, hat er auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Oft hatte ich das Gefühl nicht ganz verstanden zu haben, worum es überhaupt geht. Letztendlich bedarf es aber nur einiger Minuten des Verinnerlichens, um zu verstehen, dass Anderssons Intention keine andere ist, als die Facetten des Lebens aufzuzeigen und sich selbst darin zu positionieren und reflektieren. Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach ist skurril, bedrückend und makaber, aber auch ehrlich und inspirierend.
Info:
Titel: Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach (Originaltitel: En duva satt på en gren och funderade på tillvaron)
Seit 21.08.2015 auf DVD erhältlich
Regisseur: Roy Andersson
Laufzeit: 96 Minuten
Erscheinungsjahr: 2014
Produktionsland: Schweden
Darsteller: Holger Andersson, Nisse Westblom, Charlotta Larsson
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