Filmtipp: Heartbreak Hotel von Regisseur Colin Nutley
Gudrun (Maria Lundqvist) und Elisabeth (Helena Bergström) kennen sich bisher nicht, aber ihre Lebensstile ähneln einander. Beide sind über 40, stehen mitten im Berufsleben — die eine als Polizistin, die andere als Gynäkologin -, beide haben flügge Kinder und sind ohne Partner. Als es zwischen beiden zu drei Begegnungen unter widrigen Umständen kommt, entscheidet Elisabeth, das Schicksal habe sie und Gudrun zu Freundinnen bestimmt und so krempelt sie temperamentvoll ihre T‑Shirt-Ärmel hoch und deren Leben um. Jetzt beginnt ein pralles Dasein ohne kleinliche Einschränkungen und ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Konventionen, kurz ein Leben, das die entnervten Kinder als furchtbar „tenil“ (senile Teenager) bezeichnen.
Der schwedische Film von Regisseur Colin Nutley ist ein ehrlicher Versuch, mit dem spießig konventionellen Frauenbild der Mitvierzigerinnen abzurechnen. Der durchschnittlichen Frau, der bisher im Kino weitestgehend die Rolle der Hüterin von Kind und Kegel zugewiesen wurde und die sich mit Falten und Arthrose im großmütterlichen Leben einzurichten hatte, der wird hier endlich einmal durch Abwerfen der alten Kleider und Verhaltensweisen Raum- und Entfaltungsmöglichkeit gegeben. Die Rocksäume kürzer und die Ausschnitte tiefer, stöckeln die beiden Darstellerinnen hinreißend authentisch auf hohen Absätzen los, um die ganze Nacht zu tanzen, Kerle aufzureißen und zu trinken. Nichts ist peinlich genug, um nicht ausprobiert zu werden. Kommt mal Melancholie auf, feiert frau einfach dagegen an. Und die Männer in der Midlifecrisis, die dem Klischee, neuer Job, neues Leben mit junger Praktikantin, durchaus gerne nachgegeben haben, werden hier preisgegeben und in ihrer ganzen Lächerlichkeit bloßgestellt. Als ganz besonders eitle und selbstgefällige Exemplare der Spezies Ehemann beweisen Elisabeths und Gudruns Angetraute Henrik (Johan Rabeus) und Åke (Claes Månsson), warum die Ehe in der bestehenden Form ein auslaufendes Modell sein muss. Das ist kein Film der leisen Töne, hier wird gepöbelt, gekreischt, gekotzt, und das auf typisch skandinavische Weise ausgesprochen realistisch. Das ist mitreißend und schwungvoll, manchmal peinlich und anstrengend, aber immer plausibel und nachvollziehbar.
Daher eine dringe Empfehlung: Ansehen und lachen!
Info:
Titel: Heartbreak Hotel (dt. Schwedisch für Fortgeschrittene)
Erscheinungsjahr: 2008
Regisseur: Colin Nutley
Darsteller: Helena Bergström, Maria Lundquist, Johan Rabaeus