Wir brauchen mehr Geschichten über tolle, starke Frauen! Und wir brauchen sie im Kinderzimmer. Das dachten sich Francesca Cavallo und Elena Favilli und entwarfen das Buch “Good Night Stories for Rebel Girls”, eine Sammlung von 100 Geschichten über echte Rebel Girls. (Aufgrund der hohen Popularität der Rebel Girls, haben die beiden Schafferinnen dieses Jahr sogar schon das zweite Buch herausgeben.) Auf 240 Seiten werden echte historische und moderne Heldinnen vorgestellt, deren Taten unsere Geschichte verändert haben. Es geht zum Beispiel um Astrid Lindgren, Malala, Marie Curie, Cleopatra, Physikerinnen, Piratinnen, Bürgerrechtlerinnen, Königinnen, Schauspielerinnen. Jeder, der 100 außergewöhnlichen Frauen, wird eine Doppelseite gewidmet. Links ihre Geschichte, die häufige mit “Es war einmal …” beginnt, und rechts ihr Portrait. Die Illustrationen wurden von mehr als 60 Künstlerinnen aus aller Welt erstellt. Wir haben mit der Schwedin Malin Rosenqvist, die im ersten Buch Kate Sheppard und Lozen gezeichnet hat, und Justine Lecouffe, die das Astrid Lindgren-Portrait erstellt hat, im Interview über ihre Zusammenarbeit mit “Good Night Stories for Rebel Girls” gesprochen.
Könnt ihr ein bisschen von euch erzählen?
Justine: Ich arbeite als freischaffende Illustratorin und wohne in London. Die meisten meiner persönlichen Arbeiten sind Portraits, meist von Kino, Musik und Literatur inspiriert. Ich zeichne am liebsten Menschen (hauptsächlich Frauen), die mich inspirieren, Künstlerinnen die ich bewundere. Außerdem liebe ich es die Städte, die ich bereise, aufzunehmen und mache detaillierte Stadtbilder von jedem neuen Platz, den ich entdecke.
Malin: Ich bin seit 2011 Illustratorin und wohne und arbeite in Bergshamra, außerhalb von Stockholm. Ich habe zwei Kinder, die sind fünf und zwei Jahre alt.
Warum wolltet ihr Illustratorinnen werden?
Justine: Ich fühlte mich schon immer sehr von Bildern angezogen und deren Power Ideen und Wörter miteinander zu verbinden. Ich besaß einige fantastisch illustrierte Bücher, als ich ein Kind war, was, glaube ich, einen großen Einfluss auf mich hatte. Ich bin mit dem Zeichnen aufgewachsen und wurde dann professionelle Zeichnerin. Es ist eine faszinierende Welt, mit vielen inspirierenden Künstlern. Ich verbringe viel Zeit damit, die Arbeit anderer Leute zu bewundern!
Malin: Ich kam über Umwege dorthin. Während ich versuchte Animateurin zu werden, merkte ich irgendwann, dass es viel spaßiger ist ein Bild zu malen.
Was ist das beste daran Illustratorin zu sein?
Malin: Zu zeichnen!
Justine: Es wird nie langweilig! Die Vielfalt der Projekte, an denen man arbeiten kann, macht es sehr spannend — ob es sich um das Logo einer Rockband handelt, das Portrait einer berühmten Person für ein Magazin oder ein Storyboard für eine Werbung. Es ist auch großartig, Teil eines kreativen Prozesses zu sein, von Anfang an, wenn jemandem eine Idee in den Kopf kommt, bis zum endgültigen Ergebnis und der Produktion. Es war besonders beeindruckend, den internationalen Erfolg des Buches Rebel Girls zu erleben und es in allen Buchhandlungen zu sehen. Es ist jetzt buchstäblich überall!
Folgt ihr bestimmten Trends oder illustriert ihr worauf ihr Lust habt?
Malin: Ich lege großen Wert darauf, Illustrationen in meinem persönlichen Stil zu gestalten. Aber als Illustratorin kann man nicht nur an sich denken, man muss auf seine Zeitgenossen und besonders auf seine Kunden eingehen. In meiner Arbeit geht es hauptsächlich um Auftragsarbeiten, aber manchmal nehme ich mir Zeit für meine eigenen Bilder, ohne Endkunden. Da habe ich dann die Möglichkeit, mehr zu experimentieren.
Justine: Inspiration kommt auf viele verschiedene Arten zu mir… Was ich während des Tages, in den Nachrichten oder auf der Straße sehe, wird mich beeinflussen und ich werde es während der Nacht verarbeiten. Ich habe oft Lust eine Million Dinge zu zeichnen, wenn ich aufwache!
Und ich muss zugeben, dass ich viel Zeit auf Instagram verbringe… Auch wenn ich ihnen nicht aktiv folge, beeinflussen Trends meine Arbeit bis zu einem gewissen Grad.
Gibt es einen Mythos über weibliche Künstler, den ihr richtig stellen möchtet?
Justine: Künstlerinnen gelten oft als provokativ, wenn sie etwas anderes als Frieden und Harmonie darstellen. Ich denke, sie sollten in der Lage sein, anders zu sein, gegen Standards zu rebellieren, ohne automatisch als “wütende Feministinnen” bezeichnet zu werden. Aber viele Mythen über Künstlerinnen werden im Moment zerstört, die Gesellschaft verändert sich sehr schnell und es ist großartig, dass wir Zeuge dieser weltweiten Bewegung werden.
Malin: Der Mythos um Mutterschaft und Kunst! Ich habe erlebt, dass von mir als Frau jetzt, nachdem ich Mutter geworden bin, erwartet wird, dass ich diese Erfahrungen in meiner Arbeit verarbeite. An andere arbeitende Frauen werden diese Erwartungen nicht gestellt. Ich finde, dass ist eine sehr romantische und veraltete Sicht auf die Frau, Mutterschaft und Kunst, die ich wirklich nicht unterstütze.
Was macht ein Kunstwerk unwiderstehlich?
Malin: Wenn es ein Gefühl vermittelt!
Justine: Für mich, wenn es ein Mysterium ist. Wenn es etwas Ausgefallenes hat, eine doppelte Bedeutung, ein Detail, das eine andere Interpretation ermöglicht. Es kann mehrere Erzählebenen in einem Bild geben, so dass man später zurückkommen kann und andere Bedeutungen findet. Das ist einer der Gründe, warum ich David Lynchs Arbeit besonders liebe, er ist der ultimative Meister, wenn es um den Umgang mit Mysterien geht, und seine Kunst ist besonders faszinierend.
Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit mit Rebel Girls?
Justine: Die Macherinnen Elena Favilli und Francesca Cavallo haben sich mit mir in Verbindung gesetzt, nachdem sie mein Portrait von Hillary Clinton auf Behance entdeckten. Es war eine ziemlich grobe Skizze und brauchte einige Verfeinerung, aber sie mochten die feurige Haltung und die Verwendung einer einzigen Farbe für die ganze Illustration, ein sehr auffälliges Blau. Nach Hillary wurde ich gebeten, an einem Porträt der schwedischen Autorin Astrid Lindgren zu arbeiten, von der ich nur ihre berühmte Persönlichkeit Pippi Langstrumpf kannte.
Malin: Ich bekam eine Anfrage von Timbuktu Labs und fand, dass es nach einem sehr spannendem Projekt klang.
Ihr seid eine von 60 Künstlern, die zum Buch beigetragen haben. Wie fühlt sich das an?
Malin: So spaßig!
Justine: Ich bin echt ein Glückskind Teil dieses fantastischen Projekts gewesen zu sein und gesehen zu haben, wie es von einer Kickstarter-Kampagne zu einem internationalen Bestseller gewachsen ist. Ich finde es eine großartige Idee, dass die Macherinnen Künstlerinnen aus der ganzen Welt gewählt haben und jeder Charakter durch den Stil der Illustratorin eine einzigartige Persönlichkeit erhält. Der Erfolg von Rebel Girls zeigt, dass es sich um ein dringend benötigtes Kinderbuch handelt, eines, das außergewöhnliche Leistungen von Frauen in der realen Welt feiert. Einige der Geschichten, die es erzählt, waren mir völlig unbekannt, dabei sollten sie eigentlich Klassiker sein!
Was hofft ihr, dass Kinder von euren Bildern mitnehmen?
Justine: Ich hoffe, dass meine Bilder die Idee vermitteln, dass Frauen erreichen können, was sie vorhatten, und dass, selbst wenn sich die Dinge nicht immer so entwickeln, wie sie es erhofft haben, die Reise dennoch von Bedeutung ist. Ich bin generell der Meinung, dass es wichtig ist, dass Mädchen selbstbewusster werden und sich größere Ziele setzen, als ihnen die Gesellschaft manchmal zugesteht.
Justine, du hast Astrid Lindgrens Portrait gezeichnet. Was magst du an ihr?
Ich wusste nicht viel über Astrid Lindgrens Leben, bevor ich gebeten wurde, ihr Portrait zu zeichnen. Ich wusste, dass sie eine sehr beliebte Kinderbuchautorin war, aber als ich mit ihrem Porträt begann, las ich viel über ihre Geschichte und ich wurde besessen von ihrer Stärke und Ausstrahlung. Sie schaffte es nicht nur, all die Widrigkeiten einer alleinerziehenden berufstätigen Mutter in den 1930er Jahren zu überwinden, sondern sie half auch, eine schwedische Regierung abzusetzen, beeinflusste Gesetzesänderungen und inspirierte sogar Anarchisten. In Schweden gilt sie als echte Nationalheldin.
Wie hast du entschieden, wie du sie porträtieren willst?
Justine: Astrid Lindgren strahlt Sanftheit und Härte zugleich aus, und das wollte ich auch in ihrem Portrait vermitteln. Es schien ihr gerecht zu werden, sie in ihren älteren Tagen zu portraitieren, als sie eine Großmutter war, da sie für viele Schweden eine mütterliche Figur darstellt. Sie hat eine Menge Kraft und Leidenschaft in ihren Augen, was die leuchtend orange Farbe auch verstärkt, aber die Pose bringt etwas Süßes zum Porträt.
Malin, du hast die Suffragette Kate Sheppard und die Kriegerin Lozen gezeichnet. Was magst du an den Frauen?
Ihr Streben und Ausdauer. Ihre Stärke und Vertrauen in sich selbst und in ihre Fähigkeit, zu wirken und Einfluss zu nehmen.
Warum glaubst du, dass das Buch Rebel Girls sowohl bei Kindern als auch bei ihren Eltern so beliebt ist?
Malin: Es steckt ein Rebel Girl in jeder von uns, und deshalb glaube ich, ist das Buch so populär. Es befriedigt eine Notwendigkeit und hat eine Funktion.
Was macht jemanden zu einem Rebel Girl?
Justine: Rebel Girls haben den Willen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und vorgefasste Meinungen aufzurütteln. Ob sie gegen eine Regierung rebellieren, gegen ein missbrauchendes Elternteil, gegen geschlechtsspezifische Stereotypen. Es gibt viele Möglichkeiten ein Rebel Girl zu sein, wie das Buch so gut zeigt.
Malin: Ich denke, eine Einstellung und Ausdauer, ein inneres Selbstwertgefühl und den Glauben daran. Ein gewisser Mut ist auch erforderlich, denke ich.
Brauchen wir mehr Bücher wie Rebell Girls?
Malin: Natürlich werden Bücher für und von Frauen, Mädchen und jungen Mädchen benötigt. Trotz der Verbesserungen bei der Gleichstellung von Frauen und Männern denke ich, dass noch viel zu tun ist und dass die Förderung von Frauen sowie die Förderung junger Frauen eine Chance ist, ihnen Macht und Platz zu geben.
Wer ist euer Lieblings-Rebel-Girl?
Justine: Es ist schwer, unter all den starken Frauen zu wählen, die in dem Buch vorgestellt werden, aber ich bin ein absoluter Fan von der Primatologin Jane Goodall. Sie war erst 26, als sie mit ihrem Notizbuch und Fernglas nach Tansania reiste (ohne eine akademische Ausbildung), um Schimpansen in ihrem natürlichen Lebensraum zu studieren. Das war zu dieser Zeit einzigartig und ziemlich inspirierend. Und natürlich haben ihre wissenschaftlichen Entdeckungen unsere Beziehungen zu Tieren in vielerlei Hinsicht verändert. Sie hat so viel erreicht und auch heute noch, mit 83, reist sie um den Globus, um Spenden für den Schutz der Schimpansen und ihre Umwelt zu erhalten und erfüllt ihre Rolle als UN-Botschafterin des Friedens.
Webseite: malinrosenqvist.se/
Webseite: rebelgirls.co/
Instagram:instagram.com/rebelgirlsbook/