Im Laufe eines Skandinavistik-studiums wird der dänische Philosoph Søren Kierkegaard (1813 – 1855) mit Sicherheit das ein oder andere Mal erwähnt. Dennoch hält sich mein Wissen über sein Werk sehr in Grenzen. Mit der Ausstellung „Søren Kierkegaard – Entweder / Oder. Im Spiegel zeitgenössischer Kunst“, die momentan im Haus am Waldsee anlässlich des 200. Geburtstag von Kierkegaard zu sehen ist, könnte sich dies geändert haben. Denn die Künstler haben Kierkegaards Schrift auf so überraschende, vielfältige und interessante Weise reflektiert, dass sie mich auf jedem Fall zum Lesen von „Entweder – Oder“ inspiriert haben. Und im Gegensatz zu manch anderer Ausstellung ist diese nicht nur lehrreich, sonder auch ein kurzweiliges Vergnügen.
„In seiner Schrift unterscheidet Kierkegaard zwischen zwei Persönlichkeiten und ihrer unterschiedlichen Hingabe an das Leben: dem ‘Ästheten’ (A) und dem ‘Ethiker’ (B). Der Ästhet ist ein unterhaltungsfreudiger Hedonist, der intuitiv mit seinen Sinnen auswählt und das Leben eher erotisch, verspielt und verführerisch angeht. Der Ethiker wählt sein Lebensziel hingegen nach klar definierten Vorstellungen. Für ihn sind ethische Überzeugungen, Ausbildung, politisches Engagement und Konventionen ausschlaggebend.“
Zentral ist der Dualismus der Welt, der die Menschen vor die Wahl stellt, welche Werte handlungsweisend für sie sein sollten. „Die Ausstellung ‘Entweder / Oder’ reflektiert diese Wahlsituationen im Sinne Kierkegaards. Im ersten Teil sind Arbeiten zu sehen, die den ästhetisch-hedonistischen Aspekt der Lebenswahl thematisieren. Im zweiten Teil werden eher ethisch-zielgerichtete Stellungnahmen und Lebensentwürfe wie z.B. eine reflektierte Haltung zur Nächstenliebe in der zeitgenössischen Kunst untersucht.“
So steht die Installation Valse Sentimentale von Tom Hillewaere, in der ein Gasballon mit angehängtem Filzstift von Ventilatoren über ein weißes Podium getrieben wird, für die Unvorhersehbarkeit des Ästheten. In Direct Approach von Stine Marie Jacobsen findet dagegen im Spannungsfeld von Gewalt, Ethik und Empathie eine Auseinandersetzung mit dem potenziell Bösen in uns statt. Zu sehen sind Nachstellungen von Filmszenen (bspw. aus American History X und SAW II), dargestellt von Menschen, die von der Künstlerin auf der Straße angesprochen wurden und die für die Nachstellung zwischen der Rolle des Opfers oder des Täters wählen sollten.
Dies sind nur zwei Beispiele der künstlerischen Reflexionen zu Kierkegaards „Entweder / Oder“ – und die anderen sind nicht minder interessant. Nebenbei bemerkt ist schon das Haus am Waldsee einen Besuch wert. Idyllisch im grünen Zehlendorf – und wie der Name schon sagt – an einem See gelegen, lädt die Kulisse zum Verweilen ein und versetzt in entspannte Urlaubsstimmung.
Noch bis 22. September ist die Ausstellung geöffnet. Daher eine dringende Empfehlung: ANSEHEN!
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