Das faszinierende an der skandinavischen Musikszene ist, dass sich inmitten des üblichen Rock/Pop/SingerSongwriter Genremix Musiker finden, die es schaffen, eine unvergleichliche Melancholie und Schönheit in ihrer Musik einzufangen. Sie bestechen durch einen ganz eigenen Wiedererkennungswert und gehen dadurch jeglicher Beliebigkeit konsequent aus dem Weg. Agnes Obel ist eine von diesen Zauberwesen, die allein mit ihrer Stimme und nur wenigen, mit bedacht ausgewählten Instrumenten, etwas in einem berührt und eine Antwort auf die tiefsten vergrabenen Sehnsüchte zu geben scheint.
Die dänische Sängerin und Pianistin wurde 2009 quasi über Nacht durch ihren Song „Just So“, den sie zu einem deutschen Werbespot beisteuerte, berühmt. 2006 zog Agnes Obel in ihre Wahlheimat Berlin. Hier hat sie nun drei Jahre nach ihrem letzten Album „Aventine“ auch ihr drittes Album „Citizen of Glass“ produziert, das sie dem Berliner Publikum auch bald live präsentieren wird. Es ist daher auch wenig verwunderlich, dass Agnes Obel sich beim Albumtitel vom deutschen Begriff „gläserner Bürger“ inspirieren ließ und damit auf die Transparenz und daraus resultierende Verwundbarkeit des einzelnen Individuums in der heutigen Gesellschaft anspielt. Die Zerbrechlichkeit, die der Titel andeutet, findet sich auch in der filigranen Komposition der insgesamt zehn Songs wieder. Für die Aufnahmen suchte Agnes Obel eigens nach passenden, aber auch ungewöhnlichen, Instrumenten und spielte sie auch alle selbst ein, um die gewünschte Stimmung zu erschaffen. Neben Violinen, Cellos, Harfen und natürlich dem Klavier, kam auch das seltene Tautrinum, eins der ersten elektronischen Musikinstrumente, zum Einsatz.
“Citizen of Glass” definiert sich nicht durch wenige Höhepunkte, um die sich die restlichen Lieder nur als Statisten versammeln, sondern überzeugt in seiner Gesamtkomposition und ist in seiner unaufdringlichen Art umso beeindruckender. Der Opener “Stretch Your Eyes” ist die jüngste Singleauskopplung und zeigt, dass Agnes Obel ihrem Stil treu geblieben ist, aber dennoch mehr wagt und sich ausprobiert. „Familiar“ ist eines der stärksten Stücke des Albums und wurde auch als erste Single veröffentlicht. Agnes Obel setzt hierbei auf Zweistimmigkeit mit ihrer eigenen tiefer frequentierten Stimme und erzeugt dadurch eine ähnlich verwirrende Sogkraft wie bereits bei ihren Singles „Riverside“ und „The Curse“ ihres Vorgängeralbums.
Doch auch bei den übrigen Songs, wie dem instrumentaleren Stück “Red Virgin Soil“ oder dem pulsierenden „It’s Happening Again“, beweist sie erneut ihr Gespür für feinsinnige Melodien. Das Album schließt mit „Mary“ und erfüllt den Raum nur mit Agnes Obels Gesang und ihrem Klavierspiel und man fragt sich wozu es eigentlich mehr Bedarf, wenn so wenig so viel auszudrücken vermag.
Info
Agnes Obel
Album: Citizen of Glass
Laufzeit: 10 Titel
Veröffentlichung: 21.10.2016
Label: Play It Again Sam
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