von Magdalena Kersting
Skandinavien hält viele Überraschungen bereit. Und manchmal stolpert man an einem ganz gewöhnlichen Samstagabend durch Zufall in ein Café und findet sich wieder in einem Zauberwald aus bunten Klängen und schwebenden Akkorden. So geschehen vor kurzem in Oslo. Ort des Geschehens? Hendrix Ibsen, eine junge Vinyl-Kaffeebar. Lässig und cool kommt sie daher neben Mathallen, der Markthalle in Oslos neuer Nachbarschaft Vulkan. Rumgesprochen hat sich die Existenz der Bar noch nicht wirklich — Glück für mich, die Rotwein nippend unverhofft auf eine märchenhaft melodische Reise entführt wurde. Und wer die Zauberer an diesem Abend waren? Hanna & Kerttu, die in intimer Atmosphäre ihr Debut-Album “Forest Pop” vorgespielt und vorgesungen haben. Auf das Duo, das sich nach eigenen Worten irgendwo auf halbem Weg zwischen Norwegen und Finnland gefunden hat, ist Besser Nord als nie! schon vor anderthalb Jahren durch ihren Song “Miaow” aufmerksam geworden. Von den sphärischen Klängen berauscht spreche ich das Duo an, denn ich möchte mehr erfahren über ihren Forest Pop.
Letzten Sommer habt ihr euer Debütalbum “Forest Pop” herausgebracht. Wie würdet ihr euer Erstlingswerk beschreiben?
Zum einen ist “Forest Pop” ein Konzeptalbum. Es beschreibt die Reise durch einen Wald. Zu Beginn ist die Stimmung heiter, doch je tiefer man in den Wald hineingelangt desto dunkler und intensiver die Erfahrungen und Wahrnehmungen. Zum anderen ist es aber auch eine Sammlung unserer bisherigen musikalischen Entwicklung und Interessen.
Wie kam es zu dem Namen “Forest Pop”?
Wir können uns noch sehr gut daran erinnern als wir mit Jonas im Studio saßen — unser gesammeltes Material vor uns lag und die Frage: Was ist das eigentlich alles? Wie beschreiben wir das am besten? Forest Pop war das Erste was uns einfiel. Als es darum ging uns irgendeinem Genre zuzuordnen. Keine Band möchte sich mit Genreschubladen auseinandersetzen, aber wahrscheinlich ist es leichter, die Dinge zuordnen zu können. Unser Debütalbum danach zu benennen erschien uns dann nur noch als logische Konsequenz.
Ihr sagt selbst, dass ihr euch irgendwo zwischen Finnland und Norwegen getroffen habt. Wie viel skandinavische Natur steckt in eurem Werk?
Natur ist wahrscheinlich universell. Vielleicht klingen aber auch Fußspuren im Schnee anders in Finnland als in Deutschland, weil die Baumdichte den Schall beeinflusst? Vielleicht knirscht das Holz anders? Unsere Musik ist von unserer Umgebung beeinflusst und in der Natur lassen sich tatsächlich viele spannende Klänge finden. Heutzutage ist sie uns aber oft auch fremd und beängstigend. Musik ist ein Weg diese Widersprüche zu vereinen… In Nordeuropa ist man der Natur viel mehr ausgesetzt… Unsere neuen Songs entstehen gerade in Bergen, wo der Regen und die düstere Stimmung sicherlich einen Einfluss ausüben.
Und dann natürlich noch euer Name, Hanna & Kerttu, finnisch für Hanna & Gretel. Wusstet ihr von Anfang an, dass ihr diesen ätherischen und fast schon mystischen “Forest Pop” machen wolltet?
Ich weiß gar nicht, inwiefern man sowas planen kann, aber sicherlich hatten wir von Anfang an Vorlieben für bestimmte Klänge und Muster. Eine Band entwickelt sich ja immer mit Veränderungen. Demnach würden wir es wahrscheinlich eher schrecklich finden, wenn wir jetzt genau das machen würden wie vor ein paar Jahren…
Was beeinflusst euch beim Schreiben eurer Musik?
Das sind ganz unterschiedliche Dinge. Unsere Umgebung, Begegnungen, Menschen, Schicksale, Erfahrungen… All das, aber auch alltägliche Klänge, die das alles begleiten. Unsere Welt hat ihren ganz eigen Rhythmus, man muss nur genau hinhören… Inspiration ist überall.
Eure Musik scheint experimentierfreudig im besten Sinne des Wortes. Wie schwer ist es dabei, euren eigenen Stil zu finden und diesem auch treu zu bleiben?
Darüber machen wir uns eigentlich gar keine Gedanken. Wir wollen Musik schreiben, die uns und unsere Zuhörer bewegt und in andere Welten versetzt. Ein eigener Stil erinnert an Grenzen… Wir wollen uns gar nicht „treu bleiben“. (haha)
Ihr werdet ja unter anderem mit den isländischen Künstlern Björk und Múm verglichen. Was denkt ihr über solche Vergleiche?
In erster Linie ist das ein großes Kompliment. Das mit den Vergleichen ist aber ein bisschen wie mit den Genres. Sie gehören für viele einfach dazu. Solange es zur Einordnung dient ist das okay, aber keine Band würde wahrscheinlich selbst von sich sagen, sie macht Musik wie…
Ich finde, eure Kombination aus fast schon organischen Klängen und elektronischen Elementen ist ungewöhnlich und so schön eingängig und ihr schafft diesen Spagat scheinbar mühelos. Wie lange dauert es, bis ihr von einer ersten Idee einen fertigen Song in den Händen haltet?
Das ist immer ganz unterschiedlich. Bei manchen Songs dauert es drei Minuten, bei anderen drei Wochen… Wiederum andere brauchen Jahre bis man damit zufrieden ist. Oft verändert sich das Arrangement durch neue Instrumente, oder Inputs mit der Zeit.
Ich bin durch Zufall in euer Konzert gestolpert. Wann hätten unsere Leser denn das nächste Mal die Chance euch live zu sehen und zu hören?
Die nächsten Konzerte werden wahrscheinlich in Bergen stattfinden und ab Herbst planen wir wieder vermehrt in Deutschland zu spielen. Gerade konzentrieren wir uns aber auf das Schreiben von neuem Material.
Ihr lebt zwischen Berlin und Bergen, oder?
Genau, früher war es Helsinki-Berlin, heute Bergen-Berlin.
Was gefällt euch an Berlin, was an Bergen?
Ein Teil von uns ist gebürtiger Berliner. Da kommt nicht sehr viel gegen an. Berlin ist ständig in Bewegung. Man trifft neue Menschen und kann gut anonym bleiben, ohne einsam zu sein. Bergen ist ein ganz eigener Mikrokosmos. Hier ist man der Natur sehr nahe, die Wege sind kürzer und die Produktivität höher. Außerdem gibt es hier eine spannende Musikszene. Die Mentalität kennt auch weniger Ellbogen. Die beiden Städte lassen sich aber nicht wirklich gegeneinander ausspielen.
Und eine letzte Frage: Eure Songs sind mir lange im Ohr geblieben. Besonders gut gefallen mir “Clean” und “Hard to be like you”. Ganz spontan aus dem Bauch heraus: welchen Song mögt ihr besonders gerne? Und warum?
Hmm, vielleicht „Sirens“, oder „Drunken Dancers“. Auch weil beide Songs eine Überleitung zu dem Material, an dem wir gerade arbeiten, schaffen. „Sirens“ ist eine Stimmungsaufnahme, ein Moment der einen aufnimmt, hin- und herwirbelt und wieder entlässt.
Danke für das Interview ihr beiden, und viel Erfolg für die Zukunft!
Und für alle, die jetzt neugierig geworden sind auf das Duo: Am 23. Mai könnt ihr das Due live im Måndagsklubben, Lille Ole Bull in Bergen erleben. Fast genauso märchenhaft wie ihre Musik ist auch die hübsch gestaltete Homepage und natürlich findet ihr „Forest Pop“ auch bei Spotify: