von Martina Sander
Wer schon jetzt nach Weihnachtsgeschenken für Kinder Ausschau hält, sollte die ZEIT-Edition „Märchen-Klassik für kleine Hörer“ in Erwägung ziehen. Die gelungene Kombination von Hörspiel und klassischer Musik enthält in der Box, neben vielen Volksmärchen, immerhin fünf skandinavische moderne Mädchen: Vier Kunstmärchen von Hans Christian Andersen und – ganz besonders gelungen – Henrik Ibsens Peer Gynt von Edvard Grieg. Die Edition sieht zwar eine Altersspanne von 4–99 vor, gerade die Andersen-Märchen sollten kleine Kinder allerdings doch eher mit Größeren gemeinsam hören. Andersens Märchen sind sprachlich sehr anspruchsvoll und finden nicht immer ein glückliches Ende.
Hans Christian Andersen
In Andersens’ Die kleine Meerjungfrau (Musik von Camille Saint-Saëns) liebt die jüngste Tochter des Meereskönigs einen menschlichen Prinzen und möchte zu ihm an die Wasseroberfläche. Die Meerjungfrau muss viele Opfer bringen, um ihr Ziel zu erreichen, und wird doch auf der Erde nicht glücklich. Kenner wissen, dass die Erzählung nichts mit Disneys Arielle gemein hat, Erwachsene sollten hier mithören und im Anschluss gesprächsbereit sein.
Das gilt auch für Andersens tragische Geschichte Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern (Musik von Erik Satie): Am Silvesterabend versucht ein armes Bettelmädchen ihre Schwefelhölzer zu verkaufen. Die Menschen rennen vorbei und ignorieren das frierende Kind. Einzig die kleine Flamme ihrer Streichhölzer verspricht für kurze Zeit etwas Trost. Immer öfter lässt sie ihre Hölzchen brennen und bittet dann im Traum, ihre Großmutter im Himmel, sie zu sich zu nehmen.
Fröhlicher geht es bei zwei höfischen Märchen Andersens zu. In Des Kaisers neue Kleider (Musik von Claude Debussy) kleidet sich der eitle Kaiser einzig in die schönsten Gewänder. Für eine Parade kleiden ihn zwei neue Weber ein, deren wundervolle Stoffe nur der schätzen könne, der seines Amtes würdig ist. Dumm nur, dass Kinder ohne Amt bemerken, dass der König einfach nackt ist.
In der Geschichte Die Prinzessin auf der Erbse (Musik von Maurice Ravel) will der Prinz nur eine echte, sensible Prinzessin heiraten. Er verliebt sich in die Richtige, nur die Königin ist misstrauisch und greift zu einer List, um die vermeintliche Betrügerin zu entlarven. Dies ist eines der schönsten und anregendsten Märchen Andersens. Unzählige Kinder haben schließlich schon Murmeln, Erbsen, gar Basketbälle unter die Matratze geschoben, haben nichts gefühlt und mussten bürgerlich bleiben.
Hendrik Ibsen
Mein Favorit ist allerdings Hendrik Ibsens Geschichte vom Träumer und Flunkerer Peer Gynt (Musik von Edvard Grieg). Hier wird besonders spürbar, dass die Musik nur den Hintergrund zur Erzählung bildet. Wer die Musik kennt, und sicher gilt das für viele Kinder, wartet eigentlich auf „die Halle des Bergkönigs“, um selber in einen wilden Trolltanz auszubrechen — der hier aber wieder nur angespielt wird.
Die Hörspiele sind anspruchsvoll, die Sprecher professionell, die Musik macht Lust auf weitere Hörexperimente. Booklet, Malbuch und Erläuterungen für die Erwachsenen sind weitere angenehme Boni. Der Anschaffungspreis für die gesamte Box (10 CDs mit 20 Hörspielen) ist zwar erst einmal happig (um die 89 Euro), ist aber eine längerfristige Investition, die Kindern, Eltern und Freunden Spaß macht. Wen die ganze Box überfordert oder wer einige (skandinavische) Geschichten/Kompositionen vorzieht, kann die CDs natürlich auch einzeln erwerben.
Info
ZEIT-EDITION »MÄRCHEN-KLASSIK FÜR KLEINE HÖRER«
Herausgeber: Bert Alexander Petzold
Inhalt: Editions-Box mit Klappdeckel, 10 CDs, mit ausführlichem Booklet
Gesamtlaufzeit: ca. 571 Minuten
ab 4 Jahren
Weitere ZEIT-Editionen: zeit-edition-die-schoensten-kinderfilme/