von Beate Kury
Direkt am Miðfjördur gelegen ist das 800-Seelen-Örtchen Hvammstangi im Nordwesten Islands eine der vielen Perlen in der Kette, die sich um die isländische Küste reiht. Der Ort ist bei Touristen und Isländern relativ unbekannt, dabei verbirgt sich hier ein Naturparadies in dem man Seehunden näher kommen kann, als sonst irgendwo auf Island.
Anfang Mai treffe ich Kapitän Eðvald Danielsson, den alle nur Elli nennen, im Hafen. Vor fünf Jahren gründete er mit seinem Geschäftspartner Kjartan Sveinsson ein kleines Unternehmen für Seehundtouren. Auf die Frage, warum er und Sveinsson begannen, gerade Seehundtouren anzubieten, antwortet Eðvald: »Nun, der Hauptgrund ist natürlich der, dass hier viele Seehunde leben und dass sie sehr niedlich anzuschauen sind.« Die erste Tour des Jahres beginnt und ich fahre mit. Die Brimill überquert zunächst den ca. zwei Kilometer breiten Fjord und hangelt sich dann an der Hvammstangi gegenüberliegenden, unbesiedelten Küste immer weiter landeinwärts. Nach einer halben Stunde sehen wir sie: Auf den Felsen vor uns ruht sich eine Gruppe Seehunde in der Sonne aus und wirkt so entspannt wie wir.
Nachhaltiger Tourismus spielt für Elli und Kjartan bei ihren Touren eine besonders große Rolle: »Mit dem Boot ist es uns möglich, den Seehunden näher zu kommen, als wir es zu Fuß könnten. Aber es ist sehr wichtig, die Tiere nicht zu stören oder zu riskieren, dass sie sich gejagt fühlen.«
Der Fokus liegt nicht immer allein auf den entspannten Fellknäueln. Im Sommer kommen oft Wale in den Fjord und begleiten die Brimill. In diesem Sommer ist es ein Buckelwal, der die Aufmerksamkeit der Fahrgäste auf eine harte Probe stellt. Auch mir fällt es schwer, mich zu entscheiden, was ich fotografieren soll oder ob es vielleicht einfach nur ausreicht, den Tieren zuzuschauen, Kakao zu trinken und dabei isländische Zimtschnecken zu knabbern, die die Frau des Kapitäns gebacken hat.
Das Boot dreht ab und wir fahren ein Stück weiter landeinwärts. Etwas Treibholz, eine verlassene Hütte und ein paar grasende Schafe sind das einzige, was wir an der Küste erspähen. Wir erreichen den zweiten Seehundspot und beobachten die Tiere. Kjartan erzählt ein bisschen über die Aufzucht der Jungen, die mehrere zehntausend Kalorien pro Tag über die Muttermilch zu sich nehmen, damit sie nach vier bis fünf Wochen groß genug sind um selbstständig zu sein. Ein großer grauer Seehund schwimmt auf das Boot zu, sieht neugierig hinauf, dreht aber bald wieder ab. Die Langsamkeit hier draußen und die Entspanntheit der Tiere wirken beruhigend. Am dritten Sammelpunkt sind heute keine Seehunde. Macht nix, wir haben trotzdem einige gesehen.
Auf der ca. halbstündigen Rückfahrt pustet mir der Wind eisig ins Gesicht und ich wärme mich im Führerhäuschen etwas auf. Nun, am Ende der Fahrt frage ich Elli und Kjartan, was ihnen selbst an ihren Touren am besten gefällt. Beide denken kurz nach, Elli sagt: »Die Seehundmütter dabei zu beobachten, wie sie ihren Kleinen das Schwimmen beibringen ist schon etwas sehr Besonderes.« Kjartan nickt und fügt hinzu: »Und natürlich auch, wenn die Seehunde neben unserem Boot spielen, tauchen und springen. Ihnen dabei zuzusehen, wie sie Spaß haben, ist das Größte. Und für uns ist es die Bestätigung, dass wir etwas richtig machen.«