von Nataša Čeretková und Stefanie Mnich
Die Nordeuropäer sind von Seiten der Natur und des Himmels Einiges gewöhnt — die Nordlichter gehören zu den Himmelsphänomenen, um die die Isländer, Färöer und Einwohner von Spitzbergen von vielen “Südländern” beneidet werden. Doch die Sonnenfinsternis gilt auch dort als ein seltenes und besonderes Ereigniss, das mit mystischen und bizarren Geschichten umwoben ist. Hier einige davon:
Donnerstag — Nur noch ein Tag bis zur Sonnenfinsternis!
Reykjavik
Alles ist ruhig. Noch hat sich niemand an den besten Plätzen positioniert. Noch starrt niemand in den Himmel und auch der Verkehr verkehrt wie gewöhnlich. Die isländischen Heiden bereiten unterdessen ein Fest vor, um ihren neuen Tempel während der Sonnenfinsternis einzuweihen. Es beginnt genau um 8.38 Uhr, wenn der Mond beginnt sich vor die Sonne zu schieben. Der Tempel wird seit 1000 Jahren der erste heidnische Tempel in Europa sein.
Die letzte totale Sonnenfinsternis haben die Isländer übrigens am 30. Juni 1954 erlebt. Sie dauerte eine Minute! Damals wurden auf der Insel hochwichtige Fragen diskutiert: “Wie wirkt sich die Sonnenfinsternis auf Schafe aus?” oder “Hören die Vögel während der finsteren Minute auf zu fliegen?” Ein Journalist ging diesen bedeutenden Fragen nach, setzte sich in eine Bucht mit guter Sicht auf Schafe und Vögel und kam letztendlich zu dem Schluss, dass weder die Vögel sich für die Sonnenfinsternis interessierten, noch die “Schafe diesem Wunder der Natur Beachtung zu schenken schienen.” Eine Minute Dunkelheit am Tag macht halt nur Menschen verrückt.
Eine Lösung für die fehlenden, da ausverkauften, Spezialbrillen hatte heute Ranga Yogeshwar parat: “Einfach das Handy nehmen. Smartphone-Besitzer können sich mit dem Rücken Richtung Sonne stellen, die Front-Kamera anschalten und sich die Sonnenfinsternis ganz ohne Risiko für die Augen auf dem Handy ansehen — sogar mit der Option, näher heranzuzoomen.”
Das Wetter hat es sich unterdessen zumindest teilweise anders überlegt und in einigen Teilen Islands könnte durchaus die Sonne auch zu sehen sein bzw. für eine Minute nicht.
Longyearbyen
Auf Spitzbergen sind die Namen der ersten Opfer des Ereignisses bekannt. Eine Gruppe von sechs Sonnenfinsternistouristen hat auf der Suche nach der besten Aussicht am Mittwoch ihre Zelte unter freiem Himmel in der Nähe des Ortes Fredheim aufgeschlagen. Heute morgen wurde einer von ihnen — der Tscheche Jakub M. in seinem Zelt von einem Eisbären geweckt. Jakub ist leicht verletzt, der Eisbär wurde erschossen. Norwegische Zeitungen berichten von einer allgemein geltenden Eisbärengefahr auf Spitzbergen, Temperaturen von bis zu ‑20 Grad Celsius und Besuchern, die immer noch keine Unterkunft gebucht haben. Einige bezahlen wiederum mehr als 100€ pro Nacht, um auf einfachen Matratzen auf dem Boden schlafen zu dürfen. Das Warten ist also mehr als spannend!
Dabei ist es nicht so lange her, dass Spitzbergen seine totale Sonnenfinsternis erlebt hat. Da diese aber am 1. August 2008 nur von Teilen der unbewohnten Insel Kvitøya sichtbar war, wurde sie nicht von so vielen verfolgt, wie die Sonnenfinsternis in Südnorwegen am 30. Juni 1954. In einem kurzen zeitgenössischen Dokumentarfilm wird diese als ein mystisches Naturereignis dargestellt: “Der Mondschatten fällt auf die Erde während der Westwind bläst. Mitten am hellen Sommertag ist es nachtdunkel geworden. Die Blumen schließen ihre Blüten, (…) die Vögel hören auf zu singen, das Meer wird dunkel, die Wolken schwarz, (…) ein Schauspiel, das viel zu kurz dauert. Und gleich wird der Tag wieder hell, wenn die ersten Sonnenstrahlen hervorbrechen.” (freie Übersetzung)
Die Wetteraussichten bleiben weiterhin vielversprechend. Zumindest meint das der norwegische Wetterdienst auf seinem Twitteraccount. Besorgt ist er voralem darum, dass man vor lauter Begeisterung vergessen wird, die spezielle Brille aufzusetzen.
Tórshavn
Die Färöer Inseln scheinen in Ruhe und gut vorbereitet auf den Freitagvormittag zu warten. Als der Countdown auf der “Eclipse-Seite” heute Nachmittag 16 Stunden, 54 Minuten und 13 Sekunden zeigte, waren die Straßen auf den Webcams menschenleer und die aktuellste Wettervorhersage stammte von Mittwoch. Das lange Warten kann man sich beim Lesen der Artikel zum Thema Sonnenfinsternis aus verschiedenen Medien verkürzen.
Eine alte färöische Legende erzählt die Geschichte von zwei Brüdern aus dem Dorf Sumba, das am südlichsten Punkt der Inseln liegt. Die Brüder waren tapfer und stark, haben aber immer gestritten und miteinander gekämpft, manchmal haben sie sogar einander mit dem Tod gedroht. Eines Tages, als sie in den Bergen ihre Schafe hüteten, wurden sie plötzlich von der Dunkelheit überrascht. Im großen Erschrecken haben sie dem Gott geschworen, sich zu ändern und zu guten Männern zu werden, wenn er sie das Ereigniss überleben lässt. Kurz danach ging die Sonne wieder auf und die Legende sagt, dass sich die Brüder umarmt haben und bis zum Ende ihrer Leben nicht mehr gestritten haben. Die Legende soll eine vage Erzählung von der totalen Sonnenfinsternis am 30. Mai 1612 sein.
Hier geht es zum Teil 1 der Serie zur Sonnenfinsternis 2015
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Ein paar Infos
Die Visualisierung unten zeigt, wo und wann die Sonnenfinsternis am Freitag Vormittag zu beobachten sein wird. Die totale Sonnenfinsternis — hier durch den schwarzen Punkt dargestellt — wird man aber nur von den Spitzbergen und den Färöer Inseln aus bewundern können. Während der vollständigen Sonnenfinsternis verdeckt der Mond die ganze Sonne, was zum Einen eine mystisch dunkle Stimmung schafft, zum Anderen das Beobachten der sog. Sonnenkorona möglich macht.
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