Ich war letztens mit einem Freund Nordlichter jagen. Nicht besonders erfolgreich. Nachdem wir aus der Stadt rausgefahren sind, haben wir sie nur ganz kurz und nur ganz schwach gesehen. Er meinte aber, dass sie auf den Bildern, die er gemacht hat, viel besser aussehen würden als in echt und dass es die Schönsten eher letztes Jahr im Oktober gab. Daran kann ich mich auch noch erinnern. Im September und Anfang Oktober, kurz bevor ich die Nordkap-Insel wegen einer Winterpause verlassen habe, hatte ich sie auch gesehen — über der ganzen Stadt, in weiß, grün und lila. Das Nordkapp und seine Umgebung sind aber leider nicht die besten Orte zum Beobachten dieses winterlichen Naturphänomens. Es ist schlicht und einfach viel zu oft bewölkt dafür. Was ich hier im Moment jedoch sehr faszinierend finde, und was man hier wunderbar beobachten und genießen kann, ist der Winter an sich. Während meine Freunde bei Facebook die ersten Bilder von Frühlingsblumen, ‑temperaturen und ‑mänteln posten, befinde ich mich noch mitten in der arktischen Winterwelt. Diese kann manchmal kalt, unwirtlich und stürmisch sein, jedoch auch mit ruhigen Tagen und wunderbaren Farben überraschen.
Der Wind saust um die Häuser, bläst von den Dächern Schneehaufen runter, die mit großem Krach auf dem Boden landen, unten im Hafen färben sich die Wellenkämme weiß, Graupeln schlagen gegen die Fenster und dann ist plötzlich Stille. Die Sonne taucht hinter dem Berg für ein paar Minuten auf, um jeden daran zu erinnern, wie wunderschön die Winterlandschaft doch sein kann, bevor die Wolken sie wieder verhüllen. Wenn ich zu Fuß zur Arbeit gehe, muss ich mir oftmals den Schal vorm Gesicht festhalten, um es vor dem stechenden Schnee zu schützen. Oftmals schaue ich nur unter die Füße, um auf dem Eis nicht auszurutschen, im Falle dessen, dass ich die Spikes zu Hause vergessen hatte. Die sonnigen Momente, in denen man dann die frische Luft und den Blick in Ruhe genießen kann, sind aber eine wunderbare Entschädigung dafür. Es wäre nur schön, wenn es von ihnen noch ein bisschen mehr geben würde. Dann könnte man viel öfter raus, anstatt das ganze Theater nur von dem gemütlichen Wohnzimmer aus zu beobachten.
Gleich nach meiner Ankunft in Honningsvåg habe ich durch das Fenster die Bucht mit dem Hafen und den Bergen darüber fotografiert, manchmal sogar mehrmals am Tag und zuerst nur aus dem einfachen Grund, dass das mein absoluter Lieblingsausblick ist. Nun hat sich daraus ein kleines Projekt entwickelt. Jeden Tag mache ich mindestens ein Bild von meinem Fensterblick, um zu schauen, wie sich die Winterstimmung hinter meinem Fenster mit der Zeit verändert. Ich bin wirklich gespannt, was der Winter noch mit sich bringen wird. Oder wann der Schnee von den Bergen verschwindet. Ich schätze, irgendwann im Juni.
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