Bücher für den Sommer

Foto: Besser Nord als nie!

Der Som­mer ist da und mit ihm der Wun­sch nach See, Park oder Balkon. Bequem in der Hänge­mat­te oder auf der Pick­nick­decke, haben wir endlich wieder Zeit für ein gutes Buch — am besten aus dem Nor­den! Ich habe schon einige Neuer­schei­n­un­gen gele­sen und euch eine kleine Leseliste zusam­mengestellt. Kom­men­tiert gern, was ihr ger­ade lest und empfehlen wollt.

Torsten Schulz: Skandinavisches Viertel

Der Roman “Skan­di­navis­ches Vier­tel” von Torsten Schulz ist eine Mis­chung aus Anti-Gen­tri­fizierungs­dra­ma, Com­ing-of-Age-Geschichte und Fam­i­lien­his­to­rie: Der junge Matthias wächst im Skan­di­navis­chen Vier­tel der DDR auf, “seinem” Vier­tel. Als er nach Jahren im Aus­land in das Berlin­er Vier­tel zurück­kehrt, wird er durch Zufall Woh­nungs­mak­ler. Spezial­isiert auf seinen alten Kiez, ver­sucht er nun Neure­iche und Wichtigtuer aus seinem Vier­tel fernzuhalten.
Schulz erzählt den vielschichti­gen Roman abwech­sel­nd in der Gegen­wart und der Ver­gan­gen­heit. Die Erzählstränge ver­schmelzen und ergänzen sich und geben einen tollen Ein­druck in das Aufwach­sen in der DDR. Der Roman ist char­mant geschrieben und es macht richtig Spaß ihn zu lesen.
Torsten Schulz: Skan­di­navis­ches Vier­tel. Klett-Cot­ta. 2018.

Lars Lenth: Der Lärm der Fische beim Fliegen

Leo Van­gen lebt entspan­nt als Recht­sref­er­en­dar in Oslo. Größere Anforderun­gen ver­stören ihn, bunte Pillen helfen ihm durch den Tag; seine LPs sind alles, was er braucht. Als ein Fre­und aus Kinderta­gen ihn um einen Gefall­en bit­tet und den mit 250.000 Kro­nen hon­ori­eren möchte, kommt Leo auf die Beine, um sich in Nord­nor­we­gen ein­fach „mal ein biss­chen umzuhören“. Ökoak­tivis­ten haben es auf die Zucht­lachs­far­men der Gebrüder Vega abge­se­hen und ent­lassen mit mal 200.000 Lachse in die Frei­heit — was allerd­ings der Umwelt immens schadet. Ein Forschungsla­bor bren­nt, ein Men­sch stirbt. Leo gerät zwis­chen alle Fron­ten und kommt nicht mehr dazu seine Psy­cho-Cock­tails zu mix­en, denn plöt­zlich ren­nt er um sein Leben. Lars Lenth, Fliegen­fis­ch­er aus Pas­sion, Rock­musik­er und Schaus­piel­er, hat die Vielfalt sein­er Aktiv­itäten erweit­ert und ein erfrischend frech­es Buch geschrieben, das zwis­chen allen Gen­restühlen abrutscht und ger­ade deshalb so unter­halt­sam ist. 
Lars Lenth: “Der Lärm der Fis­che beim Fliegen.” Limes Verlag.

Hans Christian Andersen: Die Schneekönigin

Das gruselige Kun­st­märchen des dänis­chen Dichters Hans Chris­t­ian Ander­sen über die böse Schneeköni­gin ist ein wahrer Klas­sik­er. Die Geschichte ken­nt fast jedes Kind und es wurde schon unzäh­lig Male neu her­aus­ge­bracht, ver­filmt oder insze­niert. Die Ver­sion des Kne­se­beck Ver­lags ist allerd­ings beson­ders empfehlenswert. Das schmale Buch wurde näm­lich von der finnis­chen Illus­tra­torin San­na Annuk­ka bebildert und ist ein echt­es Klein­od! Die geometrischen For­men passen her­vor­ra­gend zur unwohn­lichen Eiswelt der Schneeköni­gin und die kalten Far­ben tra­gen zur gruseli­gen Atmo­sphäre bei.
Die Schneeköni­gin; von Hans Chris­t­ian Ander­sen, San­na Annuk­ka; Kne­se­beck Verlag

Øyvind Torseter: Der siebente Bruder: oder Das Herz im Marmeladenglas

Øyvind Torseter hat mit der siebente Brud­er eine wun­der­volle Geschichte her­vorge­bracht. Märchen­haft begin­nt sie — zunächst im Fließ­text — mit sechs Königssöh­nen, die in die Welt ziehen, um eine Frau zu find­en und dem jüng­sten Brud­er wollen sie auch noch eine mit­brin­gen. Allerd­ings vergessen sie ihr ver­sprechen und ein Troll ver­wan­delt sie außer­dem zu Stein. So macht sich dann der jüng­ste Sohn auf in ein Aben­teuer. Hier wech­selt die Geschichte dann in die Comic­form und wird mit viel Humor vor­ge­tra­gen. Der Märchen-Com­ic-Hybrid spielt mit Ironie und vorgegeben Mustern und ist neben­bei gekon­nt gezeichnet.
Øyvind Torseter: Der siebente Brud­er: oder Das Herz im Marme­laden­glas. Ger­sten­berg Ver­lag. 2017.

Camilla Grebe: Wenn das Eis bricht

Hanne ist Krim­i­nalpsy­cholo­gin und soll einen neuen Fall übernehmen, der einem der ihrem von vor 10 Jahren ähnelt. Ein grauen­hafter Mord und wenig Indizien. Was jedoch nie­mand weiß, Hanne zweifelt ger­ade an ihrer eige­nen Wahrnehmung, sie ver­mutet einen begin­nen­den Alzheimer.  Für ihre Ermit­tlun­gen muss sie tief in die Ver­gan­gen­heit ein­tauchen und langsam verbinden sich die bei­den Fälle. Doch kann Hanne ihren eige­nen Erin­nerun­gen trauen?
Die Schwedin Camil­la Grebe hat­te bere­its als Teil des Autoren­du­os Grebe/Träff auf sich aufmerk­sam gemacht, “Wenn das Eis bricht” ist nun ihr erster eigen­er Thriller. Trotz der beachtlichen 600 Seit­en liest sich die Geschichte schnell weg, denn der Span­nungs­bo­gen wird bis zum Ende gehal­ten. Die Erzählper­spek­tive wech­selt in der Ich-Form zwis­chen Hanne, Peter und Emma, wodurch einem die unter­schiedlichen Charak­tere schnell bekan­nt wer­den. Grebe ver­webt die einzel­nen Geschick­ten geschickt miteinan­der und bis zum Ende bleibt die Lösung undurchsichtig. 
Camil­la Grebe: “Wenn das Eis bricht.” btb Ver­lag. 2017.

David Lagercrantz: Verfolgung

Der 2. Band von Lager­crantz’ Fol­gero­ma­nen der Mil­len­ni­um-Rei­he führt ins Frauenge­fäng­nis Flod­ber­ga, wo Lis­beth eine kurze Strafe absitzen muss. Dort gerät sie ins Visi­er ein­er Bande, die ihr immer näher kommt. Gle­ichzeit­ig gibt es neue Hin­weise auf Lis­beths düstere Kind­heit und sie bit­tet Mikael Blomqvist um Hilfe.
Lager­crantz ist nicht Stieg Lars­son. Auch ein neuer Ver­such die erfol­gre­iche Rei­he weit­erzuführen, ist gescheit­ert. Die Charak­tere wirken wie eine Kopie, ihr Denken und Han­deln ist nicht den Orig­i­nalen entsprechend. Davon abge­se­hen ist das Buch nicht schlecht. Lis­beth und Mikael arbeit­en wieder mehr zusam­men, beina­he wie im ersten Band. Die Geschicht­en sind eben­falls span­nend und das Buch liest sich flüs­sig weg. Als eigen­ständi­ge Rei­he wären die Büch­er super, als Fol­gero­mane bleiben sie lei­der nur eine bil­lige Kopie!
David Lager­crantz: Ver­fol­gung. Heyne Ver­lag. 2017.

Katja Kettu: Feuerherz

Ket­tus Feuer­herz läuft zwei­gleisig. Ein­mal lesen wir über Irga, die um 1930 aus Finn­land nach Rus­s­land fliegt; schwanger und nur mit ein paar Skiern aus­ges­tat­tet. 2015 such die Finnin Ver­na in Rus­s­land ihren Vater, nur um ihn tot zu find­en. Auf ihrer Suche nach Antworten, triff sie auf eine mys­ter­iöse alte Frau, die ihr zwar helfen will, aber ein­deutig auch etwas zu ver­ber­gen hat.
Wie schon sein Vorgänger “Wildauge” ist Feuer­herz ein außeror­dentlich­er Roman über zwei Starke Frauen, die sich behaupten müssen. Neben dem poet­is­chen Erzählstil, ist vor allem die  nicht chro­nol­o­gis­che Erzählweise unge­mein fes­sel­nd. Die zwei Zeit­ebe­nen wer­den miteinan­der ver­flocht­en, die Geschicht­en näh­ern sich immer mehr an und bauen so unge­mein den Span­nungs­bo­gen auf. Die behan­delte The­men — sow­jetis­che Straflager, Kom­mu­nis­mus, Putin und Stal­in, Gewalt, Hor­ror und eisige Kälte — wer­den sen­si­bel und nüchtern mit magis­chem Real­is­mus in die Haupt­geschichte der zwei Frauen ver­woben. Ein Buch, das unter die Haut geht!
Kat­ja Ket­tu: Feuer­herz. Ull­stein, 430 Seit­en. 2017.

Maren Kandre: Aliide, Aliide 

daz4ed-1In dem Roman “Ali­ide, Ali­ide” von der schwedis­chen Schrift­stel­lerin Mare Kan­dre, die 2005 im Alter von 42 Jahren ver­starb, geht es um die innere Zer­ris­senheit der achtjähri­gen Pro­tag­o­nistin Ali­ide. Das Leben ist ihr fremd, die Erwach­se­nen begeg­nen ihr ver­schlossen und ihr eigen­er Kör­p­er erscheint ihr mit der Zeit fremd und abstoßend.
Dass Kind­sein nicht immer leicht ist, ist nichts Neues. Wie Kan­dre die Qualen des Mäd­chens radikal und kräftig beschreibt, ist mitunter ver­störend und den­noch außergewöhn­lich. Der kleine Band ist außer­dem ist ein Klein­od, das sich — neben der beson­deren Geschichte — außer­dem wun­der­schön im Buchre­gal ausmacht.

 

Maren Kan­dre: Ali­ide, Ali­ide. Sep­time Ver­lag, 2015. 395 Seit­en. 

Tanja Dusy: Smörgås — Gemeinsam gemütlich genießen: 100 Rezepte für opulente Buffets

Tan­ja Dusy hat mit “Smörgås” ein nettes Kochbuch geschrieben, das vor allem das Beisam­men­sein und gemein­same Essen in den Vorder­grund stellt. Sie greift die Idee des schwedis­chen Smör­gas­bord, das über­set­zt But­ter­brot und Tisch bedeutet, auf — also Fin­ger­food auf But­ter­brot-Basis — und entwick­elt es weit­er. Ihre zahlre­ichen Bord-Ideen sind kuli­nar­isch sehr unter­schiedlich und bedi­enen jeden Geschmack. Es gibt zum Beispiel ein veg­anes Bord, ein mediter­ranes, ital­ienisch, griechisch, spanis­ches Bord. Auch ein tra­di­tionell skan­di­navis­ches Bord ist dabei, mit allem, was dazu gehört. Anson­sten hat das Buch keine weit­eren Verbindun­gen zu Skan­di­navien — die Autorin erwäh­nt die Herkun­ft des Smörgås auch eher neben­bei. Echte Skan­di-Fans wer­den von dem Buch wohl ent­täuscht wer­den. Den­noch sind die Rezepte wirk­lich inter­es­sant und lecker!
Tan­ja Dusy: Smörgås — Gemein­sam gemütlich genießen: 100 Rezepte für opu­lente Buf­fets. Edi­tion Michael Fis­ch­er / EMF Ver­lag. 2018.

Katarina Bivald: Highway to heaven

Nach dem Auszug ihrer Tochter, fällt Annette in ein tiefes, schwarzes Loch. Ihr einziger Lebensin­halt ist mit der Tochter ver­schwun­den, Annette lang­weilt sich und hat ein­fach nichts mehr zu tun. Nach­dem sie sog­ar frei­willig am Woch­enende arbeit­en will, um die Leere zu vertreiben, spricht ihre beste Fre­undin Klar­text: “…leg dir ein Leben zu!” Annette fragt sich, was aus ihren Teenag­er-Träu­men gewor­den ist, schließlich wollte sie mit dem Motor­rad um die Welt reisen! Kurz­er­hand meldet sie sich für den Motor­rad­führerschein an, um ihrem Leben eine neue Rich­tung zu geben. Kata­ri­na Bivalds Roman „High­way to heav­en“ ist eine leichte, unter­hal­tende Lek­türe. Annette — anfangs schw­er zu ertra­gen — entwick­elt sich bald zu ein­er angenehmen Zeitgenossin und bringt einem sog­ar zum Lachen. Außer­dem regt einen der Text zum Nach­denken über das eigene Leben und die eige­nen Träume an.
Kata­ri­na Bivald: High­way to heav­en. btb Ver­lag. 2017.

Karl Ove Knausgård: Kämpfen

Kämpfen” ist der let­zte Roman von Karl Ole Knaus­gårds auto­bi­ographis­chen Mam­mut­pro­jekt. Das Buch wurde erst­mals nach dem Erscheinen und dem Erfolg der Vorgänger geschrieben und Knaus­gård reflek­tiert hier das Erscheinen des 1. Ban­des (“Ster­ben”) selb­st. Inter­es­sant ist in diesem Fall der Kon­flikt mit dem Onkel, der vehe­ment ver­sucht, die Veröf­fentlichung des ersten Ban­des zu ver­hin­dern — erfol­g­los, wie wir alle wis­sen. Dann ändert sich allerd­ings der Inhalt und Knaus­gård gibt einen Exkurs über die europäis­che Lit­er­aturgeschichte, den Natzion­al­sozial­is­mus und Krieg im all­ge­meinen. Erst nach vie­len Seit­en kommt er zurück in sein eigens Leben und endet mit den Worten, dass er es genieße “kein Schrift­steller mehr” zu sein. “Kämpfen” ist zwar lesenswert, allerd­ings kommt einem das The­ma jet­zt doch ein wenig abgenutzt vor.
Karl Ove Knaus­gård: Kämpfen. Luchter­hand Lit­er­aturver­lag. 2017.