Der eigene banale Lebenskampf

von Mar­ti­na Sander 

When I start­ed out on Min Kamp, I was so extreme­ly frus­trat­ed over my life and my writ­ing. I want­ed to write some­thing majes­tic and grand, some­thing like Ham­let or Moby-Dick, but found myself with this small life—looking after kids, chang­ing dia­pers, quar­rel­ing with my wife, unable to write any­thing, real­ly. So I start­ed to write about that. Dur­ing that process, I real­ized that this was mate­r­i­al, I didn’t like it, but still, it was some­thing, not noth­ing. If you read Hölder­lin or Celan, and admire their writ­ing, it’s very shame­ful, writ­ing about dia­pers, it’s com­plete­ly with­out dig­ni­ty. But then, that became the point. That was the whole point. Not to try to go some­where else than this. This is how it is.”

Den eige­nen banalen Leben­skampf zum einzi­gen Gegen­stand zu machen – das ist das radikale Pro­gramm, dem sich Karl Ove Knaus­gård ver­schrieben hat. Da der Orig­inalti­tel des auf sechs Bände angelegten auto­bi­ografis­chen Großpro­jek­ts in Deutsch­land ver­ständlicher­weise nicht ger­ade mark­t­gerecht ist, begleit­en wir Karl Ove Knaus­gård über die bish­er veröf­fentlicht­en drei Bände und fast 2000 Seit­en erst ein­mal beim „Ster­ben“, „Lieben“ und „Spie­len”.
In “Ster­ben”, dem ersten Roman, stellt er sich, während er die Bleibe seines ver­stor­be­nen Vaters über viele Seit­en ent­müllt, seinen ver­stören­den Erin­nerun­gen. Sein Vater, ein exzes­siv­er Trinker, hat­te ihn und seinen Brud­er mit seinem despo­tisch aggres­siv­en Erziehungsstil immer wieder in Angst und Schreck­en ver­set­zt. Fol­gerichtig wid­met er sich dann in Band 2 „Lieben“ sein­er eige­nen Rolle als Fam­i­lien­vater. In Knausgård‘scher Kon­se­quenz ist auch dieser Teil seines Kampfes weit ent­fer­nt von ein­er Ide­al­form, die Paar- und Eltern­sein aus­machen kön­nte. Windeln wick­el­nd, ewig müde, von Zwän­gen bes­timmt und zer­rieben zwis­chen All­t­ag und wiederkehren­dem Ein­er­lei, lässt er den Leser teil­haben an seinen Bemühun­gen, ein besser­er Part­ner und Vater zu sein, als es sein eigen­er war. Mit “Spie­len” wird dann das chro­nol­o­gisch früh­este Teil­stück aufge­blät­tert, hier beg­ibt sich Nor­we­gens berühmtester leben­der Autor auf die Suche nach sein­er ver­lore­nen Kind-Zeit, die mal mit­ter­nachtsson­nen­hell erscheint, mal ver­störend dunkel. Wieder tre­f­fen wir auf Wegge­fährten der ersten zwei “Tage­büch­er”, die jet­zt aus ein­er drit­ten Per­spek­tive seziert wer­den, als Spiel­ge­fährten oder ‑ver­weiger­er.

042_87412_135870_xlDas wirk­lich Ungewöhn­liche und damit unzweifel­haft Geniale an Knaus­gårds Büch­ern ist allerd­ings auch seine größte Zumu­tung an den Leser: Wie sehr näm­lich sein Leben dem des Adres­sat­en gle­icht. Kann das Leben wirk­lich ein einziges Sam­mel­suri­um aus Bedeu­tungslosigkeit­en sein, ein solch­es Kon­glom­er­at aus banalen Details, so pro­fan, dass das Lesen weh tut? Hier wird nicht gemordet, nicht spi­oniert oder fan­tasiert, nicht über alle Maßen geliebt, gehas­st oder getrauert. Sein Leben­skampf ist kein Com­ing-of-Age-Dra­ma, kein Bil­dungs- oder Aufk­lärungsro­man, an dessen Ende der geläuterte Held ste­ht. Hier wird scho­nungs­los und wahrhaft, ohne Ide­al­isierung oder andere lit­er­arische Mit­tel ein sehr durch­schnit­tlich­es Leben im Detail aus­ge­bre­it­et. Und ger­ade dadurch gerät der Leser in Sog und Trance, er lässt sich den Spiegel vorhal­ten und wird unfrei­willig zum Reflek­tieren gezwun­gen. Aus dem Banalen wird plöt­zlich große Literatur.

Drei weit­ere Bände wer­den noch folgen.

Mehr zu Band V “Trau­men” von Karl Ove Knaus­gård kön­nt ihr hier lesen!

Info:
Autor: Karl Ove Knausgård
Titel: Spie­len (Min Kamp III)
Erschei­n­ungs­jahr: 2013

Luchter­hand Lit­er­aturver­lag, 576 Seiten 

Alle Büch­er kön­nen portofrei bei Panke­buch bestellt wer­den!

Zitat aus: theparisreview.org, Decem­ber 26, 2013, Autor: Jesse Barron

3 Kommentare

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