So allgegenwärtig nackte Haut heutzutage auch sein mag, die primären Geschlechtsorgane sind es nicht, vor allem nicht die weiblichen. Das geht sogar soweit, dass die NASA 1972 ein verfälschtes Bild der nackten Frau an mögliche außerirdische Lebensformen schickte, denn der Strich zwischen den Beinen wäre wohl selbst für die Aliens zu realistisch.
Die Vulva hatte und hat in unserer Gesellschaft keinen guten Stellenwert; sie soll unsichtbar sein, Schamlippen klein und anständig. Diesem Kuriosum entgegenzuwirken, hat sich die schwedische Comiczeichnerin und Radiomoderatorin Liv Strömquist zur Aufgabe gemacht. “Der Ursprung der Welt” heißt ihr aktuelles Buch, indem sie zunächst die Kulturgeschichte der weiblichen Geschlechtsorgane aufzeigt und erklärt, warum der Unterschied zwischen Vulva und Vagina nicht zu vernachlässigen ist und dass unsere Verklemmtheit, über Themen wie weibliche Sexualität und Menstruation zu sprechen, einen Hintergrund hat. Mit ihren charmanten Zeichnungen illustriert sie von der Antike bis zur Gegenwart und lässt dabei keine anatomische Korrektheit aus. Außerdem nutzt sie Collagen, Fotos und antike Zeichnungen und untermauert ihre Behauptungen mit genauen Quellenangaben.
So beschreibt sie beispielsweise den Orgasmus der Frau heute und damals und zeigt, wie männliche Forscher sich eben sicher sind, dass manche Frauen keinen Orgasmus bekommen können, egal wie doll es auch versucht wird. Im Strip vertauscht sie jedoch die Geschlechter, was ein sehr wirkungsvoller Weg ist, um zu zeigen, wie unterschiedlich die Gesellschaft Männer und Frauen betrachtet und dass das männliche Verständnis zu Sexualität viel weniger kompliziert ist.
Doch nicht alle Strips sind komisch. Viele geben Denkanstöße und werfen Fragen über unser heutiges Verständnis von Weiblichkeit auf. Und einige Strips machen beim Lesen durch ungeheuerliche und grausame Details richtig wütend. Wie die Geschichte über den Corn-Flakes-Erfinder John Harvey Kellogg (1852–1943), der seinerzeit jedes Wehwehchen von Frauen mit einem Tropfen Karbolsäure auf die Klitoris behandelt hat, um deren Stimulation zu unterbinden. Dr. Baker-Brown (1811–1873) hingegen ließ die Klitoris gleich ganz entfernen, um z.B. Hysterie, Kopfschmerzen, Unfolgsamkeit oder Schweidungswillen zu kurieren. Die aberwitzigen Stories sind aber nicht nur in der Vergangenheit angesiedelt, sondern reichen fatalerweise bis in die Gegenwart.
“Der Ursprung der Welt” ist ein tolles und wichtiges Buch, so absurd es zunächst auch erscheinen mag. Liv Strömquist betreibt darin dringend benötigte Aufklärungsarbeit, die sowohl von Frauen als auch von Männern gelesen und verstanden werden sollte. Verschämtes Gerede von „da unten“ braucht nämlich heute niemand mehr!
Info:
Liv Strömquist
“Der Ursprung der Welt”
Übersetzt von Katharina Erben
Avant-Verlag, 144 Seiten, März 2017
Liv Strömquist auf Instagram: instagram.com/leifstromquist
Pingback: Die Ursprung der Liebe von Liv Strömquist - Besser Nord als nie!