von Martina Sander
„Der Pfarrer war jung, groß, schlank und strahlend schön. Hätte man sein Haupt mit einem Helm umwölbt und ihm Schwert und Harnisch angelegt, man hätte ihn in Marmor hauen und das Bildnis nach dem schönsten aller Athener benennen können.
Der Pfarrer hatte die tiefliegenden Augen eines Dichters und das feste, runde Kinn eines Feldherrn, alles an ihm war anmutig, graziös, schön, ausdrucksvoll, durchglüht von Genie und geistigem Leben.“
Gösta Berling ist nicht nur Prediger mit äußeren Vorzügen, sondern auch exzessiver Säufer. Und er trinkt so leidenschaftlich gegen die dunklen värmländischen Wälder an, dass er vom Bischof seines Dienstes enthoben wird. Voller Entsetzen über sein unnützes Leben beschließt er, in einer Schneewehe zu sterben, wird aber gerettet und damit der Zwölfte einer Schar Lebemänner auf Gut Ekeby, die hemmungslos auf den Abgrund zufeiern und ‑lieben, ein Pakt mit dem Teufel verlangt es so.
Gösta Berling, faustischer Stürmer und Dränger, englischer Heathcliff, spanischer Don Juan vereinigt in sich alle großen literarischen Figuren. Natürlich ist einer solchen Lichtgestalt die kleine schwedische Region, Värmland, zu eng, in deren unsichtbaren Grenzen er sich aber zwangsläufig bewegen muss. „Die Saga von Gösta Berling“ ist aber nicht nur Selma Lagerlöfs brillantes Erstlingswerk, prallvolle Anekdotensammlung und mittlerweile Nationalepos, sondern auch literarischer Entwicklungsroman. Und so reift der leidenschaftliche, von seinen Gefühlen beherrschte Geistliche nach vielen Erfahrungen, Fehleinschätzungen und Entgleisungen zu einer moralisch handelnden Person, zu einem nützlichen Glied der Gesellschaft.
Einem ohnehin sehr guten Buch, verleiht die Neuübersetzung von Paul Berf den Feinschliff, ohne modernistisch zu sein, und die Illustrationen von Georg Pauli aus der schwedischen Originalausgabe machen das Buch zu einem sehr sinnlichen Vergnügen. Gösta Berling mit seinen märchenhaften Elementen, dem schwedischem Brauchtum, den Mythen und Sagen ist manchmal ein spannendes, manchmal betuliches und manchmal bildendes Werk – so wie sich in Lagerlöfs Dichtung immer mehrere Komponenten zum Ganzen vereinigen. Es ist aber vor allem auch Dichtung, die beim Lesen Komfort fordert, Schokolade und Wein, Sofa und Plaid; ständig wird der Leser/die Leserin ja mit dem Wohlleben der Figuren konfrontiert. Und hier muss der einzige Nachteil der “Anderen Bibliothek“-Ausgabe erwähnt werden. Dieses Buch ist so schön gestaltet, dass man sich ein gemütliches, krümeliges Lesevergnügen kaum erlauben mag, und für die Anschaffung zweier Exemplare ist das Buch (zwar limitiert und nummeriert) mit 42 Euro leider zu teuer.
„Die Saga von Gösta Berling“ kann übrigens portofrei bei Pankebuch bestellt werden!
Info
Selma Lagerlöf
„Die Saga von Gösta Berling“
Aus dem Schwedischen übersetzt von Paul Berf. Mit den Abbildungen von Georg Pauli aus der schwedischen Originalausgabe und einem Nachwort von Thomas Steinfeld.
Erscheinungsjahr: 2015, Die Andere Bibliothek
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