von Martina Sander
Hier hat ein Mörder mal keine niederen Motive, sondern – im Gegenteil – das Wohl seines ganzen Landes im Sinn: Er möchte ganz Schweden auf die schlechten PISA-Ergebnisse der letzten Jahre aufmerksam machen. Menschen mit Einfluss und Vorbildfunktion in der Öffentlichkeit, die nichts als Dummheit und Oberflächlichkeit aufweisen, werden mit einem Schuss hingerichtet und in Klassenzimmern platziert. Die Leichen der Bloggerinnen, Dokusoap-Sternchen und Youtube-Stars dokumentieren mit am Rücken festgetuckerten Fragebogen, dass ihre Bildungsmängel elementar waren und sie bei der Wissensprüfung durchgefallen sind. Bei der Jagd nach dem Serientäter müssen Kommissar Höglund und sein Team von der Reichsmordkommission wieder auf die Unterstützung des Kriminalpsychologen Sebastian Bergman zurückgreifen und natürlich ist er persönlich in den Fall involviert – wobei er die Nacht ausnahmsweise nicht mit einer Verdächtigen, sondern mit einem der Opfer verbracht hat.
Wer glaubt, er/sie hätte über die Jahre schon alle Serientäterbeweggründe abgearbeitet, um dann doch wieder auf das Triumvirat der Kapitalverbrechen Eifersucht, Rache und Geld zurückgeworfen zu werden, stößt dieses Mal vorrangig auf eine amüsante neue Variante. Das Autorengespann Hjorth und Rosenfeldt erlaubt sich in „Die Menschen, die es nicht verdienen“ ein kurzes Augenzwinkern bei der Gestaltung des Tathintergrunds, bevor sie sich den üblichen Krimi-Ingredienzen zuwenden: Plot, Wende, Showdown sind gewohnt stimmig konstruiert. Kaum kommen die Ermittler zum Fall, bei ihren ausufernden Sadomaso-Spielchen, ihren tristen Tagen in der skandinavischen Sozialhölle, wo auch die Polizei ihre Beziehungskonflikte pflegt; jeder gegen jede, mit Kindern, Partnern, sogar den Haustieren (falsche Fährte, das war doch Evert Backström). Natürlich befindet sich Sebastian Bergman (Schwedenkrimis zweitunsympatischster Ermittler) in der Zwickmühle zwischen Privat- und Arbeitsleben, versucht er doch seine Angelegenheiten auf Bergman’sche Art zu komplizieren. Aber wenn man die Bücher in Folge liest, ist der Fall nur ein Strang, der Cliffhanger ergibt sich ja aus der Weiterentwicklung der ermittelnden Personen. Der Leser/die Leserin lechzt nach düsteren Details aus deren Privatleben und wird professionell und intelligent bedient. Viel Fantasie braucht der Leser allerdings nicht, um sich die Szenerie gleich als Filmset in Nordlandfarben vorzustellen; schließlich sind die Autoren vor allem Krimi-Drehbuchschreiber.
„Die Menschen, die es nicht verdienen“ kann übrigens portofrei bei Pankebuch bestellt werden!
Info
Michael Hjorth, Hans Rosenfeldt
„Die Menschen, die es nicht verdienen“
Aus dem Schwedischen von Ursel Allenstein
Erscheinungsjahr: 2016
544 Seiten, Wunderlich