Dienstag war es endlich soweit. Der norwegische Autor Ingvar Ambjørnsen stellte sein neuestes literarisches Werk im Felleshus der nordischen Botschaften in Berlin vor.
Die Lichter werden gedimmt, die Gespräche verstummen und Ambjørnsen beginnt zu lesen. Mit kräftiger Stimme singt er förmlich die norwegischen Wörter, die sich zu dramatischen, lustigen, mitunter ironischen Sätzen formen. Er wählt eine detailfreudige Beschreibung über einen faulenden Zahn im Mund der Hauptperson. Ich höre über Schmerzen, die spätere Lücke im Gaumen und Essensreste, die ihren Platz in der Höhle suchen. Ich folge den Gedanken eines mir noch unbekannten Mannes, seinen Erinnerungen und Eindrücken, seiner Philosophie und Einstellung gegenüber der Welt. Und bekomme einen tiefen Einblick in das Seelenleben dieser unlustigen Person. Ich merke schnell, dieser Mensch ist kein charmanter Zeitgenosse, kein bezaubernder Lesegefährte.
Die Szenerie wechselt mit einem anderen Abschnitt des Buches zur Frankfurter Buchmesse. Ich erfahre den Namen des Mannes: Claes Otto Gedde. Früherer Starjournalist schreibt nun drittklassige Kochbücher mit aus dem Internet geklauten Rezepten. Schadenfroh macht er sich über die alternden Exkolleginnen lustig, ohne den eigenen Zerfall zu erkennen.
Es geht nach Berlin. Gedde wohnt in der Wohnung eines verstorbenen Bekannten, will sich dem Winterschlaf hingeben und ein besonderes Geheimnis hüten. Doch wieder steht ihm sein Egoismus im Weg zum Glück. Denn die Welt lässt sich nicht immer nach seinem Willen biegen und seine schroffe Art stoßt irgendwann auf Widerstand. „Was für ein egoistisches Ekel“, denke ich.
Aber dennoch, trotz Geddes unleidlichen Wesens leide ich mit ihm, möchte ihm am Liebsten die kommenden Stolpersteine rechtzeitig aus dem Weg räumen und hoffe bang auf ein gutes Ende. Man muss ihn einfach gern haben. (Und Geddes kleine Episode mit echten Berliner Bouletten lässt mein Hauptstadtherz höher schlagen.)
Auch Ambjørnsen hat Gedde zu seinem Liebling erklärt. „Es gibt noch viel über ihn zu erzählen“, sagt er schmunzelnd in die Runde, „als Journalist lässt er mir alle Möglichkeiten!“ Geddes Jugendjahre nehmen auch schon im Hirn des Autors Gestalt an. „Geddes Geschichte ist noch nicht fertig!“, verspricht er uns gespanntem Publikum. Glück für mich. Denn nach „Eine lange Nacht auf Erden“, möchte ich nun auch den jungen Gedde kennen lernen!
Es war also eine rundum gelungene Lesung, mit einem lustigen Ambjørnsen, einer guten Geschichte und literaturliebenden Menschen.
Dieses Buch kann übrigens portofrei bei Pankebuch bestellt werden.
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