Maria Kallio ermittelt wieder

von Mar­ti­na Sander

Wer-ohne-Schande-ist--Maria-Kallio-ermittelt-9783463406527_xxlMaria Kallio, finnis­che Kom­mis­sarin aus Espoo, ist zurzeit Stro­hwitwe und darüber ganz froh. Während ihre Fam­i­lie auf der Ost­see segelt, kann sie endlich ohne schlecht­es Gewis­sen so viele Über­stun­den machen, wie sie will und braucht. Denn der neue Fall bere­it­et Maria aus viel­er­lei Grün­den Prob­leme. In den Schären wur­den gle­ich zwei Leichen aus dem Wass­er gebor­gen, fest ver­schnürt in Plas­tik­folie. Vor Ort hat ein übereifriger Dorf­polizist schon vor­ermit­telt und ver­mut­lich rel­e­vante Spuren beseit­igt. Die Frau ist die Schwägerin eines leg­endären Eishock­eyspiel­ers und damit fühlt sich die gesamte finnis­che Öffentlichkeit in den Fort­gang der Ermit­tlun­gen involviert. Und der tote Ex-Knac­ki, und das ist wirk­lich das i‑Tüpfelchen der Kom­p­lika­tio­nen, hat­te einen Sozialar­beit­er zur Seite — aus­gerech­net Mikke, den sie trotz chemis­ch­er Anziehungskraft mal hin­ter Git­ter brin­gen musste. Maria flirtet also und ermit­telt auch und sticht dabei wie üblich in Wespennester.

Nicht zum ersten Mal siedelt Leena Lehto­lainen die Sto­ry im Sportler­m­i­lieu an — in Finn­land scheint da einiges im Argen zu liegen. In „Wer ohne Schande ist“ geht es allerd­ings nicht vor­wiegend um Eishock­ey, son­dern wie üblich sind es vor allem The­men wie häus­liche Gewalt, inner­famil­iäre Hier­ar­chien, die Dishar­monien zwis­chen den Geschlechtern, die der Fem­i­nistin wichtig sind und die sie immer wieder auf­greift und anprangert. „Sie repräsen­tiert die finnis­che Frau!“, sagt Leena Lehto­lainen selb­st in einem Inter­view gegenüber Bess­er Nord als nie über ihre Pro­tag­o­nistin Maria Kallio. Klar, Maria ist schon ziem­lich tough, hat aber reich­lich Schwächen und auch sie krankt an dem sel­ten rei­bungslosen Zusam­men­spiel von Berufs- und Fam­i­lien­leben. Die Kinder quen­geln, der Mann fordert mehr häus­lichen Ein­satz und Maria fühlt sich aufgerieben zwis­chen Schicht­di­enst und Super­mark­töff­nungszeit­en. Ger­ade dieses Durch­schnit­tliche ermöglicht die Iden­ti­fika­tion und macht den Charak­ter der Ermit­t­lerin so nachvol­lziehbar und anziehend. Die Leser/-innen gön­nen der Ermit­t­lerin also gerne mal eine famil­iäre Auszeit, zumal sie Maria Kallios alltäglichen pri­vat­en Kampf seit Band 1 min­destens so inter­essiert mitver­fol­gen wie ihren öffentlichen Kampf gegen das Verbrechen.
Wer Krim­is unblutig und entschle­u­nigt akzep­tiert und wen mehr die Charak­tere als der Show­down inter­essieren, der ist bei der Maria Kallio-Rei­he auch in diesem elften Band gut aufge­hoben, liegt hier der Fokus doch mehr auf der real­is­tis­chen Darstel­lung der finnis­chen Gesellschaft als auf der Aus­gestal­tung bes­tialis­ch­er Tat­en. Aber auch wer den klas­sis­chen skan­di­navis­chen Thriller bevorzugt, wird bei der Autorin fündig, die Büch­er über die „Leib­wäch­terin“ Hil­ja ILveskero bieten aus­re­ichend kri­tis­che Lagen, auswe­glose Sit­u­a­tio­nen und elek­trische Spannungen.

Am 13.10.2014 liest Leena Lehto­lainen aus “Wer ohne Schande ist” bei Panke­buch in Berlin!

Info:
Autorin: Leena Lehtolainen
Titel: Wer ohne Schande ist
Erschei­n­ungs­jahr: 2014
Kindler, 352 Seiten

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