von Martina Sander
Arvid Jansen ist geschieden und suhlt sich im Selbstmitleid; schließlich ist er Schriftsteller und sein Leben hat ja tragische Momente. Er fährt durch die Osloer Winterdunkelheit, übernachtet im Auto, trinkt zuviel und lässt sich auf One-Night-Stands ein, die noch mehr Leere hinterlassen, wo er doch Wärme und Einklang sucht. Die Nähe findet er auch bei seinen drei Töchtern nicht, seine Unfähigkeit zur Empathie stört die Verhältnisse.
Per Petterson ist ein brillanter Schriftsteller, sein früheres Buch „Pferde stehlen“ war ein Meilenstein in der norwegischen Literatur. Der neue Roman mit seinem Protagonisten/Alter Ego Arvid Jansen ist zum Glück wieder ein sehr gut geschriebenes Buch mit Atmosphäre, so dass die Leserin dabeibleibt. Ein melancholisches Roadbook, mit trister Grundstimmung, dunklen Bars und gekräuseltem Zigarettenrauch. Allerdings ist „Männer in meiner Situation“, ein Mann und eine Situation zuviel. Die norwegische Prosa ist derzeit voller Männer, die sich lustwoll ihrer Innenschau und ihrem Seelenleben ergeben, dieser psychologische Exhibitionismus (man denke an fast 6.000 gut geschriebene Seiten Knausgard) nervt langsam. Per Petterson hat nach einem Werk über die Beziehung zum Vater (“Nicht mit mir”), einem weiteren zur Mutter, zu einem Freund und nun zu Exfrau und Kindern eigentlich an Zwischenmenschlichem alles abgegrast, so dass wir gespannt sein dürfen auf sein nächstes Buch. Literarische Qualität besitzen sie schließlich alle. Dennoch ist „Männer in meiner Situation“ jetzt nur noch Zeitverschwendung und kommt ein paar Jahre zu spät.
Info:
Per Petterson — Männer in meiner Situation
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger
Hanser Verlag, 288 Seiten