Maja Lunde: Die Letzten ihrer Art

Maja Lunde: Die letzen ihrer Art. Foto: Besser Nord als nie!Foto: Besser Nord als nie!

von Mar­ti­na Sander

Ende des 19. Jahrhun­derts lebt Michail Alexandrow­itsch in St. Peters­burg ein behaglich­es, ruhiges Leben. Als ein Schädel auf dem Schreibtisch sug­geriert, ein Mythos Urpferd könne tat­säch­lich real existieren, bricht er mit Wil­helm Wolff zu ein­er gefährlichen Expe­di­tion in die Mon­golei auf. Eine Tierärztin ver­sucht 100 Jahre später eine Herde Prze­wal­s­ki-Pferde in der Mon­golei wieder auszuwildern. Dass Matthias sie begleit­et, irri­tiert Karin, ihre Pas­sion möchte sie mit ihrem Sohn nicht teilen; mit ihm schon gar nicht, von dem sie meint, er hänge wie eine Klette an ihr. Eva ist 2064 in Nor­we­gen schon fast eine Let­zte ihrer Art. Nach dem Krieg um Ressourcen sind alle Men­schen auf der Wan­der­schaft, um sich Land­schaften zu erschließen, die lebenswerte Bedin­gun­gen bieten. Sie klam­mert sich verzweifelt an ihr karges Leben auf dem Hof, weil sie die let­zten bei­den Wildpferde schützen möchte. Ihre Tochter Lisa möchte stattdessen deren Gat­ter­tore endlich öff­nen und Frei­heit für die Pferde und sich erzwingen.

Maja Lunde hält sich an Bewährtes: Wieder verknüpft sie drei Hand­lungsstränge aus unter­schiedlichen Epochen handw­erk­lich geübt zu einem Plot. Im drit­ten Band ihres Kli­ma-Quar­tetts wid­met sie sich nach den Bienen, dem Wass­er, nun den „Let­zten ihrer Art“. Ob es sich hier­bei um den Homo Sapi­ens oder tat­säch­lich das Wildpferd han­delt, bleibt offen. Der Kli­mawan­del ist durch men­schlichen Ego­is­mus verur­sacht, nun haben alle Arten mit den Kon­se­quen­zen zu (über)leben. Lunde macht keinen Hehl daraus, wem sie die Schuld zuweist und wo ihre Sym­pa­thien liegen. Während die tierischen Her­den über­leben kön­nten, wenn der Men­sch nicht ein­greifen und sich fern­hal­ten würde, zeigt Lunde auf, wie die Ent­frem­dung von der Natur durch die Kul­tur, mit ihrem Sys­tem aus Regeln, Geset­zmäßigkeit­en und Gewohn­heit­en, dem Zusam­men­leben und Ver­hal­ten der Men­schen geschadet hat. Men­schliche Beziehun­gen zwis­chen den Geschlechtern, den Gen­er­a­tio­nen lösen sich auf, weichen dem Mis­strauen, den Vor­be­hal­ten, der Angst vor Nähe. Lun­des Blick in die Zukun­ft ist dystopisch: Den Let­zten ihrer Art spricht sie die Fähigkeit, zu über­leben, ab. “Die Let­zten ihrer Art“ ist wieder gut und schnell les­bar, fes­sel­nd und gut recher­chiert, aber keine vergnügliche Lek­türe. Wir bleiben ges­pan­nt, ob Band vier auf die Apoka­lypse zielt. 

Info:
Maja Lunde — Die Let­zten ihrer Art
Aus dem Nor­wegis­chen von Ursel Allen­stein
btb, 640 Seiten