Heute — am 23. April — ist der Welttag des Buches! Zu Ehren des Tages möchten wir euch ein paar neue Kinder- und Jugendbücher aus und um dem Norden vorstellen, die hoffentlich die Isolation ein bisschen erträglicher machen.
1995 erklärte die UNESCO den 23. April zum „Welttag des Buches“, dem weltweiten Tag für das Lesen, für Bücher und die Rechte der Autoren. Ganz zufällig wurde der Tag damals nicht gewählt, der „Welttag des Buches“ teilt sich das Datum mit dem Namenstag des katalanischen Volksheiligen St. Georg zu dessen Ehren Bücher und Rosen verschenkt werden. Außerdem ist es der Todestag von den großen Autoren William Shakespeare und Miguel de Cervantes.
Ulf Stark: Als ich die Pflaumen des Riesen klaute
Zwei Straße von Ulf entfernt wohnt ein Riese. Der ist groß und laut und hat eine Antenne auf dem Kopf, um mit anderen Riesen zu reden. Ulf und sein bester Freund Bernt gruseln sich sehr vor dem Riesen und versuchen ihn zu umgehen. Als ihm plötzlich Bernt wegen einem dummen Fehler die Freundschaft kündigt, vermisst ihm Ulf so sehr, dass er sich auf eine Mutprobe einlässt, die ihn in gefährliche Nähe zum Riesen bringt. Und das bedeutet ja bestimmt, den so gut wie sicheren Tod. Oder?
„Als ich die Pflaumen des Riesen klaute“ von dem schwedischen Autor Ulf Stark ist ein richtiges Lesevergnügen. Stark erzählt die Geschichte locker und leicht aus der Perspektive des jungen Ulf, so dass sich die jungen Leser*innen schön in die Story einfühlen können. Ulf und Bernt sind zwei sehr unterschiedliche Charaktere, die lustig und doch realitätsnah handeln und denken. Eine herrlichen Figur ist überdies Ulfs Mutter, die jeden Abend eine halbe Stunde zum Klavierspielen fordert, und immer samstags allein in die Hütte auf dem Hügel radelt, um sich selbst zu finden — überaus authentisch und nachvollziehbar. Das Buch wurde außerdem von Regina Kehn lustig bebildert, ihre blau-roten Zeichnungen untermale die Geschichte ganz zauberhaft. So ist ein witziges, verrücktes, nicht vorhersehbares und sehr abwechslungsreiches Buch entstanden, das Vorleser*innen wie Zuhörer*innen gleichermaßen zu unterhalten weiß.
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Bilder von Regina Kehn. Urachhaus, 2020. Ab 6 Jahren.
Zoë Tucker & Zoe Persico: Greta und die Großen. Inspiriert von Greta Thunbergs Geschichte
Die Tiere des Waldes brauchen Gretas Hilfe. Die Großen, Unersättlichen zerstören den Wald, um immer mehr Häuser zu bauen. Die waren schon immer da, aber jetzt brauchten sie von allem immer mehr. Dabei bemerken sie gar nicht, wie sie durch ihre Gier immer mehr Lebensraum der Tiere zerstören. Greta baut ein Schild „Stopp“ und stellt sich damit allein auf eine Lichtung im Wald. Keiner bemerkt sie. Eines Tages stellt sich ein Junge zu ihr und mit ihm kommen nach und nach immer mehr Kinder und Tiere. Da sehen endlich auch die Großen die Ansammlung. Sie fangen an sich zu besinnen und hören zu. Greta und ihre Freunde können die Großen überzeugen, dass sie besser auf den Wald aufpassen müssen, weil alle ihn dringend brauchen. Die Großen versprechen sich zu bessern. Alle halten von da an zusammen, helfen sich und entdecken Sachen für sich neu (gemeinsames Kochen, neue Dinge lernen, sie pflanzen in ihren Gärten und nehmen sich Zeit für ihre Hobbys). Der Wald hat wieder Kraft zu wachsen und zu gedeihen und die Menschen haben einen ganz neuen Zusammenhalt gelernt.
Klima? Klimawandel? Demos und Schulstreik? „Was ist das eigentlich alles, Mama und Papa?“ Mit dieser und ähnlichen Fragen mussten sich Eltern auf der ganzen Welt gerade auseinandersetzen. Aber wie erklärt man Kindern so etwas Weltbewegendes? Am besten mit einem Kind, mit jemandem zum Identifizieren. Greta Thunberg ist da ganz sicher ein gutes Beispiel. Zoe Tucker und Zoe Persico haben dazu ein Bilderbuch gestaltet. Eine Geschichte, „inspiriert von Greta Thunbergs Geschichte“.
Eine süße Geschichte mit einer schönen Botschaft, kindgerecht erzählt und wunderschön illustriert. Eine Leseempfehlung für Kinder, Eltern und andere Große.
ars edition, 2019. Ab 4 Jahren.
Jenny Jägerfeld: Comedy Queen
Kurz vor ihrem 12. Geburtstag schreibt Sasha eine Liste mit Dingen, die sie tun will, um nicht wie ihre Mutter zu werden. Denn die Mutter ist ja definitiv mit ihrem Leben gescheitert. Sasha will sich daher zum Beispiel die Haare abschneiden (alle sagen ja immer, sie sähe aus wie ihre Mutter), immer nur Buntes tragen (Mama trug immer nur schwarz), nie mehr in den Wald gehen (dort war die Mama schließlich immer besonders traurig) und Comedy Queen werden. Denn ihre Mutter brachte alle zum Weinen, deshalb will Sasha alle zum Lacht bringen.
Jenny Jägerfeld hat mit „Comedy Queen“ einen herzerwärmenden und wunderschönen Jugenroman geschrieben. Sie nimmt sich den schweren Themen Tod, Trauer und Verlust und Depressionen gefühlvoll an und vermischt sie mit einer großen Prise Humor. Erzählt wird die Geschichte von Sasha selber in der Ich-Perspektive. Wie uns Sasha ihre Geschichte erzählt, ist einfach nur herzerwärmend, mit unter todtraurig und doch wunderschön. Sashas kindlicher Ton führt vorsichtig in die Thematik ein und ihre Geschichte lässt einen mitlachen und ‑weinen. Wir bekommen einen tiefen Einblick in Sashas kindliche Gefühlswelt und ihre dennoch reifen Gedanken über ihre Mutter. Jenny Jägerfeld hat definitiv eine ganz besondere und super sympathische Figur geschaffen, die ihre Leser*innen sofort in ihren Bann zieht. Egal, wie alt!
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Urachhaus, 2020. Ab 11 Jahre.
Nini Alaska: Hollie & Flux
Hollie lebt bei ihrer Großmutter „am linken äußeren Rand einer Stadt in Schweden“. Ihre Eltern sind Schauspieler, drehen Filme und sind längst in einer anderen Stadt, wenn Hollies Post an die letzte Adresse geht. Hollies einziger Geburtstagswunsch ist jedes Jahr, „dass sie alle zusammenwohnen, wie eine richtige Familie“, aber dann antwortet Mama jedes Mal: nicht jetzt. Das Mädchen ist einsam und unglücklich, bis sie eines Tages im Hinterhof auf Fux den Fuchs trifft, der seinen Schlafplatz verloren hat, Pfannkuchen mag und folglich bei Hollie einzieht. Aber auch Fux ist traurig und hat Sehnsucht und Heimweh, nach dem Wald nämlich, wo Füchse leben. Und so machen sich beide auf die Suche nach Geborgenheit und Glück.
Hollie & Fux ist eine moderne Geschichte über Gefühle, Empathie und vor allem Freundschaft ohne Vorurteile. Das (Bilder-)Buch regt die Kinder zum Sprechen an und lädt zum dialogischen Lesen ein. Hollie und Fux kämpfen mit Schwierigkeiten, die Kinder nachvollziehen können und durchdenken wollen, ein sehr glückliches Ende erleichtert und macht zuversichtlich. Nini Alaskas Illustrationen zu ihrem eigenen Text sind hell und freundlich, manchmal voller Details, manchmal fast skizzenhaft angedeutet. Ihre Bilder erinnern aber immer an einen fröhlichen Urlaub in Schweden und an ländliche Idylle. Nini Alaska ist Wahl-Hamburgerin, DJane und Pädagogin. Hollie & Fux” ist ihr erstes Bilderbuch, das sie für ihre eigenen Kinder ausgedacht und illustriert hat.
Tulipan Verlag, 2019. Für geübte Vierjährige und alle älteren Kinder.
Sissel Horndal: Máttaráhkkás weite Reise
„Aha“, „so ist es also“, sagen die Tiere und die Götter, und aus dem Funken wird neues Leben. Viele Geschöpfe sind beteiligt, bis der Keimling bei der Urmutter Máttaráhkká und ihren drei Töchtern einen Körper, ein Wesen und ein Geschlecht bekommen kann. Erst nach dem harten Winter, als die Sonne zurückgekommen ist, werden dem Menschenpaar im Frühsommer Zwillinge gegeben, ein Mädchen und ein Junge.
Máttaráhkkás weite Reise, eine „Erzählung aus dem Samenland“ von Sissel Horndal ist eine wunderschön bebilderte Geschichte über den Mythos des werdenden Lebens und über die schöpferische Natur. Die filigranen Zeichnungen, Licht und Schatten verlocken die kleinen Kinder, immer wieder nach dem Nordwind zu suchen oder den Bären zu betrachten. Die Sprache ist poetisch, der Strang schlüssig und wäre auch für Kindergartenkinder nachvollziehbar. Leider fehlt eine zeitgenössische Anpassung, die Erzählung ist zu langsam, zu betulich, um die unruhigen Stadtkinder bei den Seiten zu halten. Ein außergewöhnliches Bilderbuch für erwachsene Sammler*innen oder Kleine mit ungewöhnlichen Vorlieben.
Aus dem Norwegischen von Elisabeth Berg. Baobab Books, 2019. Ab 3 Jahren.
Abenteuer im Mumintal — Nach drei Erzählungen von Tove Jansson
„Abenteuer im Mumintal“ erzählt in drei Geschichten von den Mumins und ihren Freunden. „Die Reise ins Mumintal“ heißt die erste Geschichte, die aus dem allerersten Mumins-Band stammt und ein bisschen in die Munin einführt. Die Muminmutter und Mumin irren seit Tagen durch den Wald, um ein Platz für ihr Häuschen zu finden, während der Muminvater schon seit langer Zeit verschwunden ist. Die zwei weiteren Geschichten stammen aus „Die Mumins. Eine drollige Gesellschaft“, dem dritten Band. In der zweite Geschichte findet Mumin einen Zauberhut, in der dritten reist er zur Insel der Hatifnatten.
„Abenteuer im Mumintal“ ist ein schönes Bilderbuch, das allerdings lediglich auf Tove Jansson Geschichten „basiert“, geschrieben wurde es von Alex Haridi und Cecilia Davidsson. Dennoch geben sie Jansson Wortlaut gut wieder und auch Jansson unterschwelliger Witz geht nicht verloren. Doch warum überhaupt ein neues Muminbuch, wo es doch bereits so viele Originale gibt? Das beantwortet Sophia Jansson — Tove Janssons Nichte — in der Einleitung. Das (Vorlese-)Buch richte sich vor allem an die kleinen Kinder, die, angekuschelt an Mama oder Papa, der Geschichte lauschen und dabei die Bilder bestaunen können. Und genau das macht den Reiz des Buches aus. Die Illustratorin Cecilia Heikkilä hat ganze Arbeit geleistet und wunderschöne Bilder gemalt. Gleich auf der ersten Doppelseite befindet sich eine umwerfend schöne schwarz-weiß Karte des Mumintals, an der Kinder und Eltern gar nicht sattsehen können. Auch auf allen weiteren Seiten finden sich zauberhaft farbige wie schwarz-weiße Illustrationen, die für die drei Geschichten eine märchenhafte Atmosphäre schaffen. Und die Geschichten sind — typisch Jansson — leicht verquer, mit seltsamen Lebewesen und unheilschwangeren Naturgewalten. Als Einführung für die Kleinsten in die wundersame Welt der Mumins funktioniert das Buch ganz wunderbar. Und danach gehts dann mit den Büchern und Comics weiter.
Cecilia Davidsson, Alex Haridi, Tove Jansson. Illustriert von Cecilia Heikkilä. Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer. Urachhaus, 2020. Ab 4 Jahren.
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