Die junge Pfarrerstochter Maja Lisa lebt zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit ihrem Vater auf dem Gutshof Lövdala in Värmland. Beide sind sich herzlich zugetan, die schwärmerische, leidenschaftliche Maja Lisa wird von ihrem Vater liebevoll behütet, aber nie emotional eingeschränkt. Ihr Leben verändert sich, als der Vater seine Haushälterin ehelicht, die das Haus mit eiserner Hand regiert, die fröhliche Stieftochter drangsaliert und deren Vater durch Intrigen gegen sie einzunehmen versucht. Als sich Maja Lisa in den Verwalter des Gutes Henriksberg verliebt, vervielfachen sich ihre Probleme. Denn der genialer Musiker hatte seine frühere Verlobte animiert, zu seinem Geigenspiel immer weiter zu tanzen, bis sie vor Erschöpfung um fiel und starb. Verzweifelt und voller Schuldgefühle bestraft er sich durch Spiel- und Liebesentzug. Er hat nicht mehr musiziert, bis Maja Lisa ihren schwermütigen Freund auffordert, ihr zuliebe ein einziges Mal seine Gefühle durch die Geige musikalisch auszudrücken – natürlich hofft sie, dass der Geigenbogen für sie anschlägt.
Der Verlag Freies Geistesleben hat sich dankenswerter Weise erneut einem Teil des Lagerlöf’schen Universums gewidmet, der sich auch wieder mit ihren anderen Büchern verzahnen lässt – all ihre Geschichten sind mit einander verbunden. „Liljecronas hem“ knüpft in vielem an ihren ersten Roman Gösta Berling an, so wurde dem Helden, Sven Liljecrona, dort schon eine Passage gewidmet, dem Titel „Liljecronas hem“ gar ein ganzes Kapitel. Im neuesten wiederveröffentlichten Werk „Liljecronas Heimat“ verschriftlicht Selma Lagerlöf zudem die Geschichte ihres geliebten Familiengutes Mårbacka. Mårbacka war ihr Geburtshaus, wurde wegen wirtschaftlicher Probleme verkauft und mit dem Geld des Literaturnobelpreises von ihr wieder zurückgekauft.
Wieder schreibt Lagerlöf sprachgewaltig über Menschen in Värmland, wieder sprengen ihre starken literarischen Charaktere die engen värmländischen Grenzen. Exzessiv, depressiv, schwärmerisch. Ihren Launen unterworfene Figuren agieren in einer Region, deren Natur sich genauso unbeherrscht und ungebremst zeigt. Klirrend kalte, düstere Winter mit knisterndem Eis treffen auf lichthelle Sommer mit fröhlichen Festen. Das Märchenhafte bestimmt allerdings den Inhalt, das värmländische Schneewittchen trifft auf einen Heathcliff aus dem Yorkshire. Das hinreißende Buch erinnert tatsächlich in seiner Wucht an Emily Brontës Sturmhöhe und sollte eine genauso breite Leserschaft finden. Und bei aller Lesbarkeit handelt es sich auch noch um ein Stück nobelpreisgekrönte Weltliteratur.
Info
Selma Lagerlöf — Liljecronas Heimat
Übersetzt von Pauline Klaiber-Gottschau
Verlag Urachhaus, 254 Seiten
Wer sich für die Person hinter der Autorin Selma Lagerlöf interessiert, dem sei ein weiteres, sehr ambitioniertes Buch des Verlags empfohlen:
Liebe Sophie — Liebe Valborg. Eine Dreiecksgeschichte in Briefen
Erstmals liegen Teile von Lagerlöfs Korrespondenz an ihre beiden vertrauten Freundinnen Sophie Elkan und Valborg Olander in deutscher Übersetzung vor, die auch Rückschlüsse auf ihre Dreiecksbeziehung und niemals ausgesprochene lesbische Neigung zulässt. Über 100 intime Briefe gewähren dem Leser Einblick in das Leben der Nobelpreisträgerin; ein ausführliches Vorwort und eingestreute Kommentare erläutern die Hintergründe und lassen Zusammenhänge entdecken.
Lagerlöfs Briefe sind amüsant und scharfzüngig, leider oft banal oder Alltagsgeschäft. Die beiden eifersüchtigen Kontrahentinnen werden belogen oder Erlebnisse angepasst, es wird gestichelt und gelästert, aber lange nicht so ausgefeilt, wie Jane Austen das in den Briefen an ihre Schwester Cassandra perfektioniert hat. Die Kommentare sind zwar kenntnisreich und helfen bei der Lektüre, stören aber den Lesefluss des literarisch interessierten Lesers erheblich. Und die Leidenschaftlichkeit ihrer eigenen Romanfiguren, ihre Sprachgewalt und Emotionalität sucht man in den Briefen vergebens. Ein Werk also, das vor allem Skandinavist(inn)en und Literaturforscher/-innen ansprechen dürfte.
Info
Liebe Sophie — Liebe Valborg
Eine Dreiecksgeschichte in Briefen, hrsg. von Holger Wolandt
Übersetzt von Lotta Rüegger und Holger Wolandt
Verlag Urachhaus, ca. 350 Seiten