Wer noch eine kurze Sommerlektüre für zwischendurch sucht, dem sei Sandra Lüpkes’ „Nordseesommer“ empfohlen. Die Geschichte spielt zwar nicht im hohen Norden, so doch an der Nordsee.
Ich hatte es mir mit dem Bändchen auf dem Balkon bequem gemacht, Eistee in der linken, das Buch in der rechten Hand. Ehrlich gesagt hatte ich mir von der Lektüre nicht viel versprochen, doch gelesen werden musste es, hatte ich es doch geschenkt bekommen. Also begann ich mit den ersten Seiten.
Die Geschichte handelt vorerst von Frauke, einer gestressten Gesundheitsfanatikerin und ihrem pubertierenden Sohn, die gemeinsam eine Woche Urlaub an der Nordsee verbringen wollen. Wie jedes Jahr im „Piratennest“, ihrer lieb gewonnenen Ferienwohnung nahe dem Strand, um auszuspannen und abzuschalten. Aber, es kommt alles ganz anders… Es tauchen nämlich noch Henning und seine quirlige Tochter Clara auf, die zufällig ebenfalls das Piratennest zu selben Zeit gebucht haben. Keine andere Wohnung ist frei, die Fähre ist schon weg. Also müssen diese vier unterschiedlichen Menschen nun eine Woche gemeinsame Ferien verbringen – entspannende Ruhe scheint ausgeschlossen, Ärger vorprogrammiert.
Ok, dachte ich, gut geschrieben ist das Buch. Auch die maritimen Illustrationen von Ole West, die auf jeder dritten Seite zu finden sind, sind sehr schön anzusehen. Aber der Inhalt klingt schon ganz schön abgedroschen.
Doch dann: Kapitel zwei beginnt und plötzlich erzählt die achtjährige Clara die Geschichte, nicht mehr die frustrierte Frauke. Interessant, muss ich zugeben! Im dritten Abschnitt ist es dann der nörgelnde Henning, der die Geschehnisse aus seiner Sicht schildert, und später folgt auch noch Keno, Fraukes stiller Sohn. Das ganze Buch über wechselt der Erzähler zwischen den vier Hauptpersonen. Jedes Ereignis wird aus dem jeweiligen Blickwinkel plötzlich anders dargestellt und eine gemachte Entscheidung, die im ersten Augenblick total unverständlich schien, erweist sich im nächsten Kapitel als absolut richtig.
Das ist dann schon irgendwie spannend, muss ich zugeben.
Nach zwei Stunden intensiven Lesens tauche ich wieder im Hier-und-Jetzt auf. Die Zeit hatte ich total vergessen und ich verspüre einen Hauch Enttäuschung, als ich feststelle, dass ich doch nicht in der Sonne am Nordseestrand sitze, wie beim Lesen gedacht. Die beschriebene Atmosphäre im Buch, die Sonne, der Strand und das BBQ ließen mich für kurze Zeit selbst dort im Piratennest im Garten liegen oder Kleckerburgen bauen.
Ich muss also mein voreilig gemachtes Urteil über den Roman revidieren, er ist nämlich gut geschrieben, spannend und ruft eine unglaubliche Sehnsucht nach Urlaub hervor. Die verschiedenen Charaktere erscheinen plötzlich wie gute Freunde, aus deren Leben man gerne mehr erfährt. Ein rundum gelungenes Buch: Kurzweilig, gut geschrieben, ein interessanter Plot mit komplexen Charakteren und außerdem schön illustriert.
Dieses Buch kann übrigens portofrei bei Pankebuch bestellt werden.