In Schweden protestieren mehrere Arbeitnehmergruppen gegen die Politik der Sverigedemokraterna
Mitte Februar verkündeten die radikal rechtspopulistischen Sverigedemokraterna (SD) den Beginn von „Jimmies (S)verigeturné“ (Jimmies Schwedentour) – einer landesweiten Wahlkampftour, auf der sich der Vorsitzende der SD, Jimmie Åkesson, nun seit fast zwei Monaten befindet. Das S in Klammern bezieht sich auf die sozialdemokratische Partei. Auf deren Wähler hat es Åkesson mit seiner Tour nämlich abgesehen. Er wird insgesamt 20 Kommunen bereisen, in denen bei Wahlen bisher die Sozialdemokraten dominierten. Er besucht dort verschiedene Arbeitsplätze und versucht damit die dortigen Angestellten von seiner Partei zu überzeugen und die SD als Arbeiterpartei zu profilieren. Dieses Vorgehen hat jedoch mancherorts zu Protesten seitens der Angestellten geführt, die nicht Teil von Åkesson „(S)verigeturné“ sein wollten, da sie die Werte der SD ablehnen und nicht mit diesen in Verbindung gebracht werden wollen. Schon Åkessons erster Besuch des Volvo CE Werks in Eskilstuna stieß auf Kritik seitens der Gewerkschaft. Seither gab es immer wieder kleinere Demonstrationen und abgesagte Termine. Auf den bislang stärksten Widerstand stieß Åkesson bei seinen Besuchen in Umeå, Botkyrka und Malmö. Spätestens mit dem Besuch einer Feuerwehrwache in Botkyrka manifestierte sich der Protest auch in den sozialen Medien.
„Keine Rassisten an unserem Arbeitsplatz“
Von Schildern mit diesem Text wurde Åkesson bei seinem Besuch im Umeå Universitätskrankenhaus begrüßt. Zudem stellte sich ihm ein Arzt in den Weg und ließ ihn wissen, dass er dort leider nicht willkommen wäre. Daraufhin erhielt dieser Arzt so ernst zu nehmende Drohungen, dass er nicht mehr zu Hause wohnen bleiben oder zur Arbeit gehen konnte. Und damit offenbarte sich ein weiteres Problem mit den SD, was die Proteste wiederum anfachte: Bedrohungen von Parteigegnern oder von Menschen, die offen eine andere Meinung als die Partei vertreten, sind keine Seltenheit im Umfeld der SD.
Mehr als 250 Angestellte protestierten in Malmö gegen den SD-Besuch
„In einer Notaufnahme gibt es keinen Platz für Åkessons Politik, Menschen nach Kultur und Religion aufzuteilen. Wenn ein Notruf kommt, arbeiten wir gemeinsam […]. Wenn ein Patient eingeliefert wird, fragen wir nicht, ob er Muslim oder Christ ist oder ob er ‘illegal’ in Schweden ist. Wir machen keine Unterschiede bei Menschen.“ So hieß es in einem offenen Brief, der sich gegen Åkessons Besuch der Notaufnahme vom Malmöer Universitätskrankenhaus SUS richtete. Dass einige der Unterzeichner Morddrohungen bekommen haben, führte zu weiteren Protestaktionen. Auch die Feuerwehrmänner der Wache „Centrum“ in Malmö haben in einem offenen Brief ihre Ablehnung der SD-Politik ausgedrückt: „Der gleiche und unverletzliche Wert aller Menschen ist ein wichtiger Grundsatz für unser Berufsausübung im Rettungsdienst“. Die Feuerwehrmänner zogen es jedoch aufgrund der vorangegangenen Drohungen vor, anonym zu bleiben: „Wir wollen nicht bedroht werden. Viele von uns haben Familie. Leider ist es wohl so, dass man Drohungen riskiert, wenn man seine Meinung gegen die SD und Åkesson äußert.“ „Ich glaube nicht, dass man bedroht wird, wenn man gegen Reinfeldt oder Löfven protestiert. Diese Drohungen sagen etwas darüber aus, was für eine Art von Partei die SD ist“.
Zwar drückten die SD von offizieller Seite entschiedene Ablehnung gegen die Morddrohungen aus. Verantwortung dafür wollten sie jedoch nicht übernehmen und Jimmie Åkessons Stabschef Linus Bylund bekundete Zweifel daran, dass SD-Anhänger hinter den Drohungen steckten: „Wir können keine Verantwortung dafür übernehmen, was Menschen machen, die von sich behaupten SD-Anhänger zu sein. Zudem können Drohungen auch ein effektives Mittel sein, Journalisten dazu zu bewegen, schlecht über uns zu schreiben.“ Åkesson meint, dass es eine „Symbiose zwischen Linksextremisten und den Medien“ gebe und da die Drohungen ja am wenigsten seiner Partei nützten, müssten wohl auch andere dafür verantwortlich sein.
Åkessons Besuch der Wache in Malmö am vergangenen Mittwoch wurde wie geplant boykottiert – keiner der wachhabenden Feuerwehrmänner war anwesend. Sie fürchteten mit der SD-Politik in Verbindung gebracht zu werden und wollten deutlich machen, dass sie nichts mit den SD zu tun haben und deren Werte nicht teilen. „Es spricht gegen unsere Wertvorstellungen als Feuerwehrmänner, nicht alle Menschen gleich zu behandeln. Es ist schlimm, dass die Feuerwehr durch diese Art von Besuchen Gefahr läuft, mit der SD verknüpft zu werden.“ Die SD-Parlamentarierin und zweite stellvertretende Vorsitzende, Carina Herrstedt, konnte die kritische Haltung der Malmöer Krankenhausangestellten und Feuerwehrmänner nicht verstehen und befand, dass Angestellte im öffentlichen Dienst „ihre private Meinung zu Hause lassen“ sollten. Sie unterstellte den Angestellten, die Gleichheit aller Menschen nicht zu respektieren und mutmaßte, dass sie einem Sverigedemokrat ihre Hilfe in einer Notsituation möglicherweise verweigern würden. Daraus schlussfolgerte Herrstedt, dass die Protestierenden „gezwungen sein sollten, sich nach einem anderen Job umzusehen“.
Åkessons „(S)verigeturné“ mobilisiert Gegenbewegung
Laut Jimmie Åkesson handelte es sich bei den Protestierenden um Linksextremisten und Anhänger der Vänsterpartiet (Linkspartei). Dass es sich bei all den Feuerwehrmännern, Krankenschwestern, Ärzten und Pflegern um Linksextremisten handelt, ist allerdings nicht anzunehmen. Der Autor Henrik Arnstad sieht in den Protesten eher eine erstarkte Zivilgesellschaft, die das Bedürfnis hat, sich deutlich gegen Rassismus auszusprechen. Auch die Politologen Jan Jämte und Marie Demker bezeichnen die jetzigen Proteste und die Demonstrationen in schwedischen Großstädten in den letzten Monaten als ein Ausdruck von Antirassismus und als eine Gegenreaktion auf die Positionen der SD. Jämte vermutet sogar, dass der „Antirassismus auf dem Weg ist, zur stärksten mobilisierenden Kraft in der Zivilgesellschaft zu werden“. Dafür spricht auch, dass die Protestierenden eine ungeheure Welle von Solidaritätsbekundungen in Form von Bildern erfuhren:
(Sämtliche Bilder stammen von der Facebook-Seite „Brandmän mot rasism“.)
#GegenRassismus #MotRasism
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