Ivalo Frank wurde in Grönland als Kind dänischer Eltern geboren. Später wuchs sie in Dänemark auf, heute lebt die Regisseurin und Künstlerin in Berlin. Die 38-Jährige hat unterschiedlichste Filme in vielen Ländern der Erde gedreht, unter anderem auf Grönland, in Bosnien, China und Deutschland. Die Genres ihrer Filme reichen von künstlerischen Kurzfilmen, über bildegewaltige Dokumentationen bis hin zu eindringlichen Interviews.
Im Interview mit Besser Nord als nie! erzählt die Kosmopolitin über die noch immer schwierige Beziehung zwischen Dänemark und Grönland und die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte.
In der ehemaligen dänischen Kolonie Grönland trat 2009 das sogenannte Gesetz zu Grönlands Selbstregierung in Kraft, welches das Gesetz zu Grönlands Selbstverwaltung von 1979 ablöste. Es erweitert die Kompetenzen der grönländischen Regierung, unter anderem beinhaltet es auch die Option auf völlige Unabhängigkeit von Dänemark.
Ist die Unabhängigkeit Grönlands und die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte etwas, wofür du dich engagierst? Und wenn ja, wie?
Ja, ich finde, dass ich das mit meinen Filmen tue. Ich bin dafür, dass Grönland selbst-ständig wird und will, dass wenigstens darüber diskutiert wird und dass die dänisch-grönländischen Beziehungen in Frieden geklärt werden. Ich diskutiere das Thema, wo ich kann.
Würdest du sagen, dass Vorurteile gegenüber Grönländern in Dänemark immer noch vorhanden sind?
Finde ich schon. Zum Beispiel habe neulich ich eine Gruppe junger Dänen getroffen und am Ende haben sie gefragt, wie ich heiße und da ich einen grönländischen Name habe, fragten sie: „Ey, und du bist nicht besoffen?“. Also es gibt diese Vorurteile, mit denen man immer noch zu kämpfen hat.
Du bist in Grönland geboren. War dir das ab einem bestimmten Alter bewusst, dass deine Eltern von woanders kommen?
Als ich später in Dänemark lebte, war mir der Unter-schied sehr bewusst. Im dänischen Unterricht wurde Grönland nie erwähnt, was ich sehr komisch fand. Wegen meines Namens und meiner Geschichte war mir immer sehr bewusst, dass ich von irgendwo anders herkomme.
Aber es ist ja so eine Sache – wenn man in Grönland lebt und blond ist, dann ist man dort auch ein bisschen Außenseiter. Und in Dänemark ist es das Gleiche, nur umgekehrt. Es geht vielen so, die zwischen Dänemark und Grönland aufgewachsen sind. Meine Schwester zum Beispiel ist neun Jahre älter als ich und damals [1979] wurde in Grönland gerade die Selbstverwaltung eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt gab es eine Periode von Rassismus, der sich gegen Dänen richtete. Auch meine Schwester wurde gelegentlich attackiert. Es gab einfach immer irgendwelche Konflikte und alle Kinder dieser Generation sind sich dessen bewusst. Das ist ein Teil unserer Identität, glaube ich. Man fühlt sich einfach immer ein bisschen dazwischen.
Siehst du dich denn als Vermittlerin zwischen Dänemark und Grönland?
Ja, auch ein bisschen für beiden Seiten. Es ist ja so, dass es sehr viele Emotionen in dieser Diskussion gibt und ich versuche einfach einen rationalen Umgang damit anzuregen. So, dass es nicht immer nur auf gegenseitige Vorurteile — doofe Dänen und doofe Grönländer — hinausläuft. Aber es ist natürlich schwierig. Kolonialisierung ist ein kompliziertes und heikles Thema und ich versuche immer einen Dialog anzuregen, bei dem man nicht in Klischees zurückfällt.
Ich finde auch, dass Dänemark manchmal sehr naiv ist und es sehr lange gedauert hat, bis eingesehen wurde, dass es ein Problem gibt. Für die Konflikte, unter denen Generationen von Grönländern zu leiden hatten, muss einfach jemand Verantwortung übernehmen. Das fängt jetzt langsam an.
Mehr Informationen über Ivalo Frank und ihre Arbeit findet ihr hier.
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