Seit einigen Tagen ist es eine der meistdiskutierten Fragen in Norwegen: Wird der Ex-Ministerpräsident Jens Stoltenberg wirklich zum neuen Generalsekretär der NATO gewählt?
Bereits auf einem Parteitreffen im Januar hat der Vorsitzende der Arbeiterpartei seine Kandidatur angedeutet. Doch er selbst habe die Position des Generalsekretärs zunächst nicht angestrebt, vielmehr handle es sich um ein “offer you can´t refuse”. Vertreter der führenden NATO-Länder — David Cameron, Francois Hollande, Angela Merkel und Barack Obama — haben den norwegischen Politiker längst zu ihrem Favoriten erklärt. Die Allianz soll künftig von einer Person mit politischer Erfahrung und Autorität geführt werden. Des Weiteren sei es der Wunsch der USA, einen Generalsekretär außerhalb der EU zu finden. Das alles spricht dafür, dass Stoltenberg zum Nachfolger des Dänen Anders Fogh Rasmussen werden könnte.
Auch die im letzten Jahr ins Amt getretene Premierministerin Erna Solberg (Rechte), die während des Wahlkampfes noch die politischen Führungsfähigkeit ihres Vorgängers stark kritisierte, sei mittlerweile sehr bestrebt, die NATO-Länder von den Kompetenzen Stoltenbergs zu überzeugen. Es finden sich unter den norwegischen Politikern aber auch solche, die “Jens” von der Annahme der Funktion abraten. “Falls Stoltenberg die Funktion des Generalsekretärs annimmt, trägt er zur Erhaltung einer Weltordnung bei, in der das Recht des Stärkeren immer noch gilt,” erklärt Bjørnar Moxnes, Vorsitzender der norwegischen Roten. Laut Moxnes haben kleine Länder wie Norwegen in der Allianz so gut wie keinen Einfluss auf die außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozesse und müssen sich oft Beschlüssen der USA beugen, auch wenn diese ihren eigenen Interessen widersprechen. Kurios genug ist die Tatsache, dass sich Stoltenberg zu Beginn seiner politischen Karriere ebenfalls als Gegner der NATO offenbarte. Ein Interview, in dem er 1985 als Vorsitzender der Jugendorganisation der Arbeiterpartei (AUF) die damalige Position der Partei gegen die norwegische Mitgliedschaft in der Allianz präsentierte, wurde am letzten Sonntag auf den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter verbreitet und sorgte dort für eine intensive Diskussion.
Heute, knapp 30 Jahre später, scheinen jedoch die Chancen für Stoltenbergs Position an der Spitze der NATO gut zu stehen. Es bedarf eines einstimmigen “Ja” aller 28 Mitgliedsstaaten, um den neuen Sekretär zu wählen. Mehr als die Hälfte der Länder habe sich bereits für den Norweger ausgesprochen, einige müssen noch überzeugt werden. Dem neuen NATO-Generalsekretär werden in Bezug auf die kürzlichen Geschehnisse in der Ukraine und die aktuelle Entwicklung in der Beziehung der westlichen Welt zu Russland die größten Herausforderungen seit dem Anfang der 1990er Jahre prophezeit. Ob die Wahl nun wirklich auf Jens Stoltenberg fällt, wird voraussichtlich um den 1. April bekanntgegeben.
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