Vor genau zwei Jahren, an einem ebensolchen Sommertag wie heute, nahm sich ein Mann das Recht heraus, das Leben vieler zu beenden und zu verändern.
Als Anders Behring Breivik am 22. Juli 2011 zuerst im Osloer Regierungsviertel einen Sprengsatz zündet durch den acht Menschen starben und später auf der Insel Utøya weitere 69 Menschen, überwiegend Jugendliche, erschießt und viele weitere verletzt, sieht er sich dazu völlig im Recht. Breiviks Auffassung nach, handelte er in Selbstverteidigung, denn er sieht Europa im Krieg mit einer „schleichenden Islamisierung“. So fassungslos seine Taten machten und so wahnsinnig seine Thesen manchen erscheinen, so wurzeln sie doch in einer Fremden- und Islamfeindlichkeit, die zunehmend an gesellschaftlicher Akzeptanz gewinnt.
2009, das Jahr in dem Breivik sich entschieden haben soll, mit Waffengewalt gegen die „Islamisierung“ vorzugehen, wird in norwegische Medien das Wort „Muslim“ genauso oft genannt wie „Jens Stoltenberg“. Während 2009 viele Länder mit der Wirtschaftskrise und ihren Folgen zu kämpfen haben, sorgte man sich in Norwegen, welches kaum von der Krise und Arbeitslosigkeit (etwa drei Prozent) betroffen war, um eine „schleichenden Islamisierung“. Und das, obwohl die muslimische Bevölkerung in Norwegen gerade einmal vier Prozent ausmacht.
Zwei Jahre nach Breiviks Attentaten scheint die Akzeptanz gegenüber Fremden- und Islamfeindlichkeit unvermindert weiter zu bestehen. Breiviks Taten sind natürlich nicht vergeben und auch sicher nicht vergessen, aber sie scheinen zumindest verdrängt. Sicherlich wird des Tages gedacht, aber die Diskussion über Ursachen ist seit Breiviks Prozess verstummt. Kurz nach den Attentaten sahen sich die radikal rechtspopulistischen Parteien Europas in der Kritik, mit ihrer Propaganda eine politische Kultur geschaffen zu haben, durch die sich Breivik zu seinem Handeln berechtigt sah. Heute liegt die norwegische rechtspopulistische Fortschrittspartei in Umfragen bei 15 Prozent und wird aller Wahrscheinlichkeit nach bei den Parlamentswahlen im November eine Platz in der bürgerlichen Regierung erhalten.
„Es ist seltsam wie schnell alles zur Normalität zurückkehrte“, sagt Raymond Johansen, Parteisekretär der norwegischen Arbeiterpartei gegenüber dem Aftonbladet. Weiterhin meint er, dass sich die Diskussionen nach dem 22. Juli 2011 eher um Sicherheit drehten und nicht darum, wie man fremdenfeindliche Strömungen bekämpft.
„Wir hatten nicht die Auseinandersetzung, die wir hätten haben sollen“, so Rune Berglund Steen, Leiter des antirassistischen Zentrums in Oslo. Er glaubt sogar, dass durch Breivik die Akzeptanz gegenüber bestimmter Aussagen gestiegen ist: „Breivik war so extrem, dass das Meiste daneben verblasst. Er hat den Standard gesetzt. Man kann deshalb heute einiges über Einwanderer und Muslime sagen, ohne als extrem eingestuft zu werden“.
Zumindest mahnen die heutigen Worte des Ministerpräsidenten Stoltenberg zum Gedenken und zu Toleranz: