Das EU-Handelsverbot für Robbenprodukte — eine politische Entscheidung?

Im April dieses Jahres reicht­en Nor­we­gen und Kana­da Kla­gen gegen das Han­delsver­bot für Robben­pro­duk­te in der EU (1007/2009) bei der Welthandel­sor­gan­i­sa­tion ein. Diesem Han­delsver­bot werde ich in ein­er Artikelserie auf den Grund gehen. Dabei möchte ich mich mit dem The­ma möglichst unvor­ein­genom­men und ohne Emo­tio­nen auseinan­der­set­zten. Dies ist der erste Teil.

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Darstel­lung gejagter Robben im Polar­mu­se­um in Tromsø

Wir haben sie wahrschein­lich schon alle ein­mal im Briefkas­ten gehabt: Prospek­te mit niedlichen Baby­robben drauf, dazu einen Aufruf diese Tiere zu schützen und auf der näch­sten Seite ein Bild vom grausamen Abschlacht­en der Robben. Diese Aufrufe haben ihre Wirkung gezeigt: Weil so viele EU-Bürg­er der Mei­n­ung  waren, dass das Töten von Robben grausam ist und deshalb ver­boten wer­den sollte, entsch­ied sich die EU 2009 für ein Han­delsver­bot von Robben­pro­duk­ten im gesamten Raum der EU, um so den Robben­fang weltweit zu verringern.

Dabei war die EU kein großer Markt für Robben­pro­duk­te, vielmehr kam die Nach­frage von reichen Russen und Chinesen.

Geschütz wer­den durch das Han­delsver­bot vor allem Sat­tel­robben, Ringel­robben, Kegel­robben, Mützen­robben und Südafrikanis­che See­bären. Denn die EU schreibt, dass jedes Jahr um die 900.000 Robben für den Han­del gejagt wer­den, ca. 60% davon von Kana­da, Grön­land und Namib­ia. Aber auch Rus­s­land und Nor­we­gen jagen Robben aus kom­merziellen Gründen.
Die EU begrün­det ihre Verord­nung mit fol­gen­den Worten:

Eine Aus­nah­meregelung für die Inu­it (Artikel 3) wurde allerd­ings in das Han­delsver­bot einge­fügt, sodass diese weit­er­hin ihre Pro­duk­te in die EU exportieren kön­nen. Dies soll sie bei der Bewahrung ihrer Tra­di­tion und der Bestre­itung ihres Leben­sun­ter­haltes unter­stützen. So weit so gut.

Klagen gegen das Handelsverbot

Seit es das Ver­bot gibt, regt sich jedoch auch Wider­stand dage­gen. Am 25. April 2013 bestätigte der Europäis­che Gericht­shof die Gültigkeit des Han­delsver­bots und wies eine Klage der Inu­itor­gan­i­sa­tion Inu­it Tapiri­it Kanata­mi sowie 20 weit­eren Inu­it- und Robben­jägeror­gan­i­sa­tio­nen ab. Die Klage richtete sich gegen die Tat­sache, dass durch das Han­delsver­bot Robben­pro­duk­te aus jed­wed­er Quelle, also auch von Inu­it gejagten Robben, nicht in die EU einge­führt wer­den kön­nen und somit die Aus­nahme für die Inu­it nicht greift (Urteil des Europäis­chen Gericht­shofes 126–127). Artikel 3 der Verord­nung also fak­tisch keinen Bestand hat.
Auch Kana­da und Nor­we­gen kla­gen gegen das Han­delsver­bot, allerd­ings bei der Welthandel­sor­gan­i­sa­tion (WTO). Am 29./30. April diesen Jahres fand bei der WTO in Genf die zweite Anhörung zu diesem The­ma statt. Ein Ergeb­nis wurde bere­its für Okto­ber erwartet, liegt aber noch nicht vor. In seinem Zweit­en Open­ing State­ment vor der WTO vom April 2013 behauptet Nor­we­gen u.a., dass das Ver­bot dem Schutz der öffentlichen Moral dient bzw. das Ver­bot nicht notwendig ist, um die Tiere zu schützen. Das Ver­bot hin­dere Nor­we­gen außer­dem daran, ein effek­tives Ressourcen­man­age­ment zu betreiben.
Im April 2013 stell­ten Leona Aglukkaq, Min­is­terin für die Cana­di­an North­ern Eco­nom­ic Devel­op­ment Agency, die zur Zeit auch Vor­sitzende der Ark­tis­chen Rates ist, und der dama­lige Min­is­ter für Fis­cherei und Ozeane, Kei­th Ash­field, in ein­er gemein­samen Erk­lärung die Posi­tion der kanadis­chen Regierung dar:

Weit­er­hin heisst es in der Erk­lärung der Kanadier, dass das Ver­bot den EU-Verpflich­tun­gen bei der Welthandel­sor­gan­i­sa­tion ent­ge­gen­ste­ht, denn sie sehen die kanadis­che Robben­jagd als “nach­haltig und human” an. Außer­dem werde die Pop­u­la­tion der Sat­tel­robbe auf 7,3 Mil­lio­nen Tiere geschätzt, damit ist sie mehr als dreimal so hoch wie in den 1970er Jahren und die Kegel­robben­pop­u­la­tion ist sog­ar 30-mal so hoch. Darüber hin­aus sei die Jagd gut reg­uliert und es wür­den Meth­o­d­en angewen­det, die wis­senschaftlich erwiesen, als human gel­ten. Die Robben­jagd biete außer­dem gesunde, tra­di­tionelle Nahrung für viele Bewohn­er der Küsten­re­gio­nen, prak­tis­che und schöne Fell­pro­duk­te und Arbeit­splätze für viele Fam­i­lien in den ländlichen Gebieten.

Dass die Klage bei der WTO eine Chance hat wird unter­dessen bezweifelt, es seien Doku­mente aus der Ver­hand­lung an die Öffentlichkeit gelangt. “Diese Doku­mente bestäti­gen, dass das All­ge­meine Zoll- und Han­delsabkom­mens (GATT) eine Rechts­grund­lage für eine Verord­nung wie Verord­nung 1007/2009 bietet. Somit kön­nen Han­delsem­bar­gos auf moralis­ch­er Grund­lage ver­ab­schiedet wer­den”, so Niko­las Sell­heim, der ger­ade zum EU-Han­delsver­bot für Robben­pro­duk­te forscht.

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Robben­jäger im Eis
Foto: Niko­las Sellheim

Mitte Juni bestätigte und bekräftigte der Deutsche Bun­destag das EU-Ein­fuhrver­bot für Robben­pro­duk­te erneut. Damit will die deutsche Regierung auch an die EU appel­lieren, an dem Han­delsver­bot festzuhal­ten, denn eine “Lockerung oder gar Rück­nahme dieser Verord­nung” hätte “erneut eine bedrohliche Zunahme der Robben­jagd zur Folge”.
Ob eine Zunahme der Robben­jagd dann allerd­ings auch für die Robben­pop­u­la­tion bedrohlich wäre, ist unwahrschein­lich, da die Bestände wed­er gefährdet noch bedro­ht sind. Bis auf die Mützen­robben wer­den alle diese Arten auf der Roten Liste gefährde­ter Arten der Welt­naturschutzu­nion als nicht gefährdet geführt. Der Rück­gang der Pop­u­la­tion der Mützen­robben wurde zwar in der Ver­gan­gen­heit durch deren Jagd erk­lärt, jedoch gilt seit 1998 eine Fangquote von 10.000, tat­säch­lich wer­den aber nur einige Hun­dert gefan­gen. Der wirk­liche Grund für den Rück­gang ist, laut der Roten Liste gefährde­ter Arten, immer noch unbekan­nt. Auf den Han­del mit Pro­duk­ten aus Jungtieren von Sat­tel- und Mützen­robben (“White­coats” und “Blue­backs”) ste­hen in Kana­da seit 1987 Strafen. Bere­its seit 1983 beste­ht für diese Jungtiere ein Han­delsver­bot der Europäis­chen Union.

Näch­ste Woche wird es um pro- und con­tra-Argu­mente im Stre­it um die Robben­jagd gehen.

Teil 2 — Robben­jagd – ein umstrittenes Geschäft

5 Kommentare

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