Text: Janina Poesch, www.plotmag.com
Fotos: Tiina Törmänen
Tiina Törmänen ist Fotografin. Über viele Jahre hat sie die Leuchterscheinungen am Himmel Finnlands fotografiert und ist trotz der mittlerweile zahlreichen Aufnahmen, immer noch äußerst von ihnen fasziniert: „Polarlichter sind wie tanzende, kosmische Wolken.“ Für den perfekten Schnappschuss nimmt sie dementsprechend einiges auf sich, aber das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
Es gibt viele Gründe, um für das Licht im Norden zu schwärmen, denn es ist ein ganz besonderes: Im Sommer leuchtet die Natur bis in die späten Abendstunden und im Winter schimmert das Polarlicht am dunklen Himmel. Letzteres besitzt durchaus etwas Mystisches und viele Sagen ranken sich um sein Entstehen. So sahen verschiedene Kulturen im Norden Amerikas, Europas und Asiens in ihm Aktivitäten von Göttern und Geistern – sowohl in Form von Kämpfen oder Tänzen, als auch in Mitteilungen an die Menschen. Besonders im Mittelalter galten sie jedoch, ähnlich wie Kometen, als Vorboten kommenden Unheils. Bei den Wikingern wurde das Polarlicht als Zeichen dafür gedeutet, dass irgendwo auf der Welt eine große Schlacht geschlagen wurde. Die Inuit waren der Auffassung, die Lichter seien eine Brücke ins Jenseits, die von Fackeln der Toten beleuchtet wird, um Verstorbenen Orientierung zu bieten. Und im Finnischen werden sie auch „Revontulet“ genannt, was so viel wie Fuchs-Feuer bedeutet, da Füchse die Leuchterscheinungen scheinbar mit ihrem Schweif erschaffen.
Bei all den magischen Herleitungen, scheint die wissenschaftliche Erklärung doch um einiges profaner: Polarlichter – als Nordlicht am Nordpol wissenschaftlich Aurora borealis, als Südlicht am Südpol Aurora australis bezeichnet – entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen aus der Magnetosphäre (hauptsächlich Elektronen, aber auch Protonen) auf Sauerstoff- und Stickstoffatome in den oberen Schichten der Erdatmosphäre treffen und diese ionisieren. Diese auftreffenden Sonnenwindpartikel stauchen die Erdmagnetosphäre auf der sonnenzugewandten Seite und ziehen sie dann auf der abgewandten Seite zu einem langen Schweif in Richtung der Pole aus. Dabei können Polarlichter verschiedene Farben haben: Das häufigste grüne Licht entsteht durch Sauerstoffatome, ohne Zusammenstoß emittieren Sauerstoffatome rotes Licht und Stickstoffatome senden violettes bis blaues Licht aus. Das menschliche Auge nimmt die Farben in der Dunkelheit jedoch nur begrenzt wahr und die Farbwahrnehmung von Polarlichtern ist oft individuell und somit unterschiedlich.
Und genau dies fasziniert auch Tiina Törmänen: „Ich finde es sehr spannend, dass sich Polarlichter nicht jeden Tag erleben lassen. Zudem sind sie jedes Mal, wenn ich sie sehe, andersartig: Manchmal sind sie hell, stark und farbenfroh, manchmal eher blass und sehen aus wie eine schwache grüne Wolke. Aber sie sind immer besonders. Das ist natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass sie nachts auftreten und die Nacht an sich schon mystisch ist,
wenn sie durch Dunkelheit, Kälte, Einsamkeit und Stille gekennzeichnet ist: Wenn Du nachts alleine durch die Wildnis läufst, es dunkel ist, Du in den sternenklaren Himmel blickst und dieses Naturphänomen beobachtest, dann fühlst Du Dich wirklich winzig klein. Du vergisst all Deine alltäglichen Sorgen und respektierst das Leben so, wie es ist. Dieses Erlebnis ist schwer zu beschreiben, aber es ist wunderschön!“
Die finnische Fotografin, die seit 1998 ihre Kamera nicht mehr aus der Hand legt, fängt seit einigen Jahren das Naturschauspiel gekonnt ein, wobei sie selbst sagt, dass ein Abbild natürlich kein Vergleich damit ist, das Spektakel selbst zu erleben. „Die Menschen sehen diese wunderbaren Fotografien zu diesen Himmelserscheinungen und erwarten, dass es sich jedes Mal genauso wie auf den Bildern zuträgt, aber so ist es nicht! Um Polarlichter zu sehen, muss man Glück haben: Manchmal kann man eine fabelhafte Show an jedem Tag in der Woche beobachten, manchmal aber auch gar nichts. Es hat einige Jahre gedauert, bis ich herausgefunden habe, wie sich der beste Schnappschuss einfangen lässt.“
In einer ihrer aktuellen Serien ist sie nun selbst Teil der Inszenierung geworden: Im Februar 2015 entstand „Wanderer“. Hierfür reiste Tiina Törmänen in die arktische Wildnis von Nord-Lappland. Ihr Ziel: weite, vorwiegend gefrorene Landstriche soweit das Auge blicken kann. „Zuerst wollte ich nur diese einzigartige Landschaft fotografieren. Das Ergebnis war in Ordnung, aber ich stellte schnell fest, dass noch etwas Wesentliches fehlte, denn es ist schwer, in den Bildern ein Gefühl für die Weite und die Distanzen zu vermitteln, wenn der Vergleich fehlt: Hier gibt es keine Bäume oder irgendetwas, was die Dimension des Raums erklären würde und so bin ich selbst Teil meiner Bilder geworden. Dabei war das gar nicht geplant, es ist ganz intuitiv geschehen. Ich mag diese arktischen Landschaften wirklich sehr: Sehr viel Raum und sehr wenig Menschen. Es ist einfach fantastisch. Und die Polarlichter ergänzen diese Aufnahmen hervorragend. Natürlich braucht es einigen Aufwand, um in diese abgelegenen Gegenden zu kommen: Zum einen musst Du es mögen, ständig in der Kälte zu sein und hier zu arbeiten und zum anderen musst Du zudem die nötigsten Überlebenstricks beherrschen. Aber es lohnt sich allemal!“
Vita
Tiina Törmänen fühlt sich im Winter sehr wohl. Geboren und aufgewachsen in einem kleinen Dorf in Lappland, wohnte und arbeitete die Autodidaktin mehrere Jahre im Süden Finnlands, bevor sie 2010 in ihre Heimatregion zurückkehrte. Seitdem sieht sie die dortige Landschaft in einem anderen Licht und spezialisiert sich nun als Natur-und Landschaftsfotografin.
Homepage: www.tiinatormanen.com