Seit 15 Jahren bringt das Bukta-Festival “Rock, Bier und Seafood” an den spektakulären Ort “Telegrafbukta” in Tromsø. Es will nicht das größte in Norwegen sein, sondern das beste. Das heißt genau: das norwegische Rockmilieu unterstützen und die tollsten Acts aus der aktuellen internationalen Rockszene auf die Bühne bringen, lokales Seafood servieren, eine tolle Stimmung fürs Publikum schaffen und bei all dem eine minimale Spur in der Telegrafbukta — einem “heiligen Ort” für viele Tromsø-Einwohner — hinterlassen.
Alles Dinge, die man unterstützen muss, fand ich und habe deshalb bei dem 15. Jubiläumsjahr als Freiwillige mitgemacht. Hier ein Erfahrungsbericht!
Anmeldung / 3 Monate vor Bukta…
… melde ich mich auf der Webseite als Freiwillige an. Die schwierigste Frage: was will ich denn auf dem Festival machen? Bier kann ich leider nicht zapfen und für den Szeneaufbauen reicht die Muskelmasse wohl nicht aus. Aber ich arbeite gerne mit Menschen! Also wähle ich aus den 13 Kategorien meine drei Favoriten: Publikumsbetreuung, Ticketverkauf / Akkreditierung und Merchendise.
Der Schichtplan kommt / 2 Monate vor Bukta…
… kommt eine Mail an mit der Schichtenübersicht. Ich darf am Donnerstag und Samstag jeweils ca. acht Stunden das Publikum betreuen. Den Freitag und den ganzen letzten Abend, der mit dem super Line-Up, habe ich frei und darf ich mich wie eine ganz normale Besucherin unter die Masse mischen. Ich bestätige die Mail und fange an mich richtig zu freuen.
Ich kann leider nicht zum Kick-off kommen / 2 Wochen vor Bukta…
… kriege ich eine Einladung zum Freiwilligen Kick-off in Tromsø. Es ist außer einer Party und Fußball-WM-Gucken auch ein Kurs für die Publikumsbetreuer und ein Erste-Hilfe-Kurs eingeplant. Falls man aber nicht kommen kann, sei es nicht schlimm, man bekommt sowieso das Notwendigste per Mail zugeschickt. Ich wäre gerne dabei, kann aber an dem Tag nicht nach Tromsø kommen.
Morgen geht’s los / Einen Tag vor Bukta…
… komme ich in Tromsø an und hole auf dem Weg vom Flughafen mein Freiwilligenpaket ab: Ausweis, der mir den Zugang für alle 3 Tage ermöglicht, ein T‑Shirt, ein Paar Wollsocken, eine Jute mit dem coolen Bukta-Design und ein Konzertprogramm.
Ich bin das nasse Auge und Ohr des Festivals / Tag 1 — Donnerstag…
… fängt für mich um 15 Uhr an — zwei Stunden vor dem ersten Konzert. Nach der Akkreditierung werden wir in einer kleinen Gruppe von einem der Betreuungschefs abgeholt. Die Stimmung im Freiwilligenbereich ist sehr locker und offen, alles geht aber sehr schnell — Vorstellungsrunde, Aufgabenverteilung, Anweisung für den Gebrauch von Walkie-Talkies, ein rascher Durchgang durch das Gelände und schwupps stehe ich auf meinem zugewiesenen Ort und versuche mich in meine Rolle als “Augen und Ohren” des Festivals einzufinden. Die Aufgabe ist eigentlich einfach: schauen, dass es allen gut geht und falls nicht, entweder die Situation selbst lösen oder um Hilfe von der Security oder dem Roten Kreuz bitten. Bei einer überschaubaren Menge von Besuchern lässt sich das machen. Nach einer Stunde kommt eine Unterstützung — eine sehr sympathische Mitstreiterin Namens Robin — und eine Herausforderung — ein Sommersturm. Wir zwei werden zum ersten Konzert auf “Little Henrik” (der kleinsten Bühne) geschickt. Robin steht direkt unter der Bühne und passt auf, dass sich jeder vor der Bühne benimmt. Ich und zwei andere Freiwillige lassen Leute rein und raus. Alle die mich anschauen, schmunzeln — in einer Reflexweste und einem durchsichtigen Plastikponcho, der nur bis zu den Ellenbogen und Knien reicht und nur wenig hilft, und mit einer Brille, die von der einen Seite nass wird und von der anderen Seite beschlägt, wirke ich wohl eher komisch als autoritär. Zumindest sorge ich aber für gute Laune. Schließlich kommt ein Kerl Anfang 20 zu mir und sagt: “Wir sind gleich nass. Und du bist fantastisch”, und gibt mir ein nasses Bussi auf meine nasse Stirn. Tja, man merkt, dass nicht nur der Stab, sondern auch das etwas angetrunkene Publikum, die Freiwilligen zu schätzen weiß.
Um 23 Uhr verlässt der letzte Act und das Highlight des Tages The Hellacopters im großen Stil die Bühne und somit ist Schluss für heute. Wie eine kleine, nette Armee in schwarz-weißen Freiwilligen-Shirts schicken wir die letzten Besucher Richtung Ausgang, sammeln Müll und die speziellen Plastikbecher ein, die bis zum nächsten Jahr zur Blumenerde werden sollen.
Auch wenn man sich sonst nicht oft sieht, sieht man sich in Bukta / Tag 2 — Freitag…
…und ich habe frei, also geht es gegen 18 Uhr aufs Gelände, heute als Besucherin. Ich komme alleine an, werde aber schon beim Eingang von den Festivalkollegen angelacht und nach 5 Minuten treffe ich zufällig ein paar Freunde aus Tromsø, mit denen ich den ganzen Abend verbringe. Erst durch sie verstehe ich endlich, worum es bei Bukta geht. Auch wenn die Bühne schon oft mit internationalen Stars wie Iggy Pop und Patty Smith besetzt wurde, ist das Bukta-Publikum doch sehr lokal und auch mit 6.000 Tagesbesuchern relativ überschaubar. Hat man den einen oder anderen Mitschüler aus der 8. Klasse seit 15 Jahren nicht mehr gesehen, trifft man ihn warscheinlich irgendwann mal auf Bukta. Oder wenn man sich mit einem Kollegen bisher nur über die Arbeit unterhalten hat, kann man auf Bukta über einem Teller “Loddo Fritto” (fritierte Lodde mit Chillimajo) und “Ka du sei” (Nachos mit Seelachs) über die immer noch guten Gitarrenriffe der lokalen Rockband, die nach vielen Jahren ihren Comeback auf Bukta feiert, unterhalten. Ich schlemme übrigens auch: einen Teller leckere Suppe mit lokalen Schrimps und zwei “Feskekaker”, spüle es mit mehreren — recyclebaren — Gläsern Buktabier runter und lasse mich dabei über die Großen des norwegischen Rocks belehren. Im Hintergrund brüllt das Publikum die Texte von Gluecifer mit. Eine Festivalstimmung, wie man sie so gerne mag!
You shall not pass, es sei denn, du bist ein Star oder bedienst einen / Tag 3 — Samstag…
… auf eine kurze Freitagsnacht folgt ein langer Samstag. Ich muss schon um 10 Uhr auf dem Gelände sein und meinen freien Festivaleintritt mit einer zweiten 8‑Stunden-Schicht verdienen. Ich bin immer noch das Auge des Festivals, diesmal überwache ich aber den Backstageeingang. An mir vorbei fahren Pickups mit Ausrüstung und Lastwagen voller Bier vorbei. Mitarbeiter und Freiwillige radeln und laufen zur Arbeit. Ab und zu kommen 9‑Sitzer mit schwarzen Fensterscheiben zu mir. Erst nach einer Weile wird mir klar, dass in dem einen oder anderem vielleicht Sivert Høyem — der Sänger mit der absolut schönsten Stimme der Welt — sitzt und ich nur paar Zentimeter von ihm entfernt bin. Ab und zu wollen sich die Besucher an mir durchdrängen. “Es sind 100 Meter bis zum Eingang”, “Nein, hier darf man wirklich nicht rein, der Strand ist wegen des Festivals gesperrt”, — ich versuche streng zu sein und als ein Auto mit zwei blonden Jungs durch will, werde ich fast böse. Da lächelt mich der Beifahrer mit einer Sonnenbrille und Caps an und meint: “Hei, ich heiße Moddi”. Ups, ich hätte vielleicht vor dem Festival Hausaufgaben machen sollen.
Acht Stunden auf den Beinen sind schon lange, aber glücklicherweise hält immer wieder jemand für eine kurze Unterhaltung an und die “Sonnenscheinpatrulje” in Form von zwei Freiwilligen kommt auch immer wieder mit einem Korb voller Snacks, Kaffee, Wasser, Sonnencreme und Regenponchos vorbei. Nach der Arbeit geht’s dann noch schnell zum Freiwilligenzelt zum Abendessen und Tschüss-Sagen und dann durch den Haupteingang zu den letzten Konzerten. Sivert, der vor kurzem vielleicht wirklich an mir vorbeigefahren war, steht jetzt auf der Bühne vor einer vollen Bukta. Und als der nord-norwegische Star Sondre Justad in seinem blau-orangen Anzug von einer Leiter aus singt: “Det er over, det er over” (Es ist vorbei, es ist vorbei), höre ich auf meine müden Beine und laufe langsam Richtung Ausgang. Schön war’s!
Nächstes Jahr gerne wieder / eine Zusammenfassung
Es sind einige Tage nach der Bukta und ich frage mich, warum ich mich nicht schon früher bei einem Festival als Freiwillige angemeldet habe. Die Aufgaben sind sehr machbar und hängen oft von den Präferenzen, Erfahrungen und der Entscheidung der Freiwilligen ab. Man muss schon etwas Einsatz mitbringen und an manchen Tagen aufs Festivalbier verzichten, um seinen freien Eintritt zu Teilen des Festivals zu verdienen. Aber die Betreuung von Seiten der Festivalcrew ist (zumindest auf Bukta) sehr locker und nett. Braucht man eine kurze Pause, kann man nach einer fragen. Braucht man Unterstützung, wird welche geschickt. Fürs Essen, Trinken und das Wohl der Freiwilligen wird so gut wie möglich gesorgt. Man bekommt einen guten Einblick hinter die Kulissen einer großen Veranstaltung und kann sich in die hektische, aber doch angenehme und lustige Stimmung der “Crew im Hintergrund” hineinziehen lassen. Und nicht zuletzt, man lernt viele offene, freundliche Menschen kennen.
In Tromsø, in Norwegen und in ganz Skandinavien gibt es ja Musik‑, Literatur‑, Film‑, Kultur- und Sportfestivals das ganze Jahr über und alle sind von Freiwilligen abhängig. Man muss nur seine Favoriten finden. (Hier auf Besser Nord als nie! haben wir letztes Jahr eine Übersicht über Festivals in Skandinavien veröffentlicht und vielleicht lockt ja das Eine oder Andere?) Und warum sollte man in seinem Skandinavienurlaub nicht irgendwo helfen, anstatt sich über den hohen Preis des Tickets zu ärgern?! Für mich war Bukta 2018 definitiv ein sehr positives Erlebnis und eine Motivation nach weiteren Freiwilligenmöglichkeiten zu suchen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht nur mir so geht.
Und hier ist noch die offizielle Playlist!
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