Als Freiwillige beim Bukta-Festival 2018

Konzert von Sivert Høyem auf dem HauptstageKonzert von Sivert Høyem auf dem Hauptstage

Seit 15 Jahren bringt das Buk­ta-Fes­ti­val “Rock, Bier und Seafood” an den spek­takulären Ort “Telegraf­buk­ta” in Trom­sø. Es will nicht das größte in Nor­we­gen sein, son­dern das beste. Das heißt genau: das nor­wegis­che Rock­m­i­lieu unter­stützen und die toll­sten Acts aus der aktuellen inter­na­tionalen Rock­szene auf die Bühne brin­gen, lokales Seafood servieren, eine tolle Stim­mung fürs Pub­likum schaf­fen und bei all dem eine min­i­male Spur in der Telegraf­buk­ta — einem “heili­gen Ort” für viele Trom­sø-Ein­wohn­er — hinterlassen.
Alles Dinge, die man unter­stützen muss, fand ich und habe deshalb bei dem 15. Jubiläum­s­jahr als Frei­willige mit­gemacht. Hier ein Erfahrungsbericht!

Anmeldung / 3 Monate vor Bukta…

… melde ich mich auf der Web­seite als Frei­willige an. Die schwierig­ste Frage: was will ich denn auf dem Fes­ti­val machen? Bier kann ich lei­der nicht zapfen und für den Sze­neauf­bauen reicht die Muskel­masse wohl nicht aus. Aber ich arbeite gerne mit Men­schen! Also wäh­le ich aus den 13 Kat­e­gorien meine drei Favoriten: Pub­likums­be­treu­ung, Tick­etverkauf / Akkred­i­tierung und Merchendise. 

Der Schichtplan kommt / 2 Monate vor Bukta…

… kommt eine Mail an mit der Schicht­enüber­sicht. Ich darf am Don­ner­stag und Sam­stag jew­eils ca. acht Stun­den das Pub­likum betreuen. Den Fre­itag und den ganzen let­zten Abend, der mit dem super Line-Up, habe ich frei und darf ich mich wie eine ganz nor­male Besucherin unter die Masse mis­chen. Ich bestätige die Mail und fange an mich richtig zu freuen. 

Ich kann leider nicht zum Kick-off kommen / 2 Wochen vor Bukta…

… kriege ich eine Ein­ladung zum Frei­willi­gen Kick-off in Trom­sø. Es ist außer ein­er Par­ty und Fußball-WM-Guck­en auch ein Kurs für die Pub­likums­be­treuer und ein Erste-Hil­fe-Kurs einge­plant. Falls man aber nicht kom­men kann, sei es nicht schlimm, man bekommt sowieso das Notwendig­ste per Mail zugeschickt. Ich wäre gerne dabei, kann aber an dem Tag nicht nach Trom­sø kommen.

Telegrafbukta Bay Panorama festival South Island Foto: Yngve Olsen Sæbbe / www.nordnorge.com / Tromsø

Telegraf­buk­ta Bay Panora­ma fes­ti­val South Island Foto: Yngve Olsen Sæbbe / www.nordnorge.com / Tromsø

Morgen geht’s los / Einen Tag vor Bukta…

… komme ich in Trom­sø an und hole auf dem Weg vom Flughafen mein Frei­willi­gen­paket ab: Ausweis, der mir den Zugang für alle 3 Tage ermöglicht, ein T‑Shirt, ein Paar Woll­sock­en, eine Jute mit dem coolen Buk­ta-Design und ein Konzertprogramm. 

Ich bin das nasse Auge und Ohr des Festivals / Tag 1 — Donnerstag…

… fängt für mich um 15 Uhr an — zwei Stun­den vor dem ersten Konz­ert. Nach der Akkred­i­tierung wer­den wir in ein­er kleinen Gruppe von einem der Betreu­ungschefs abge­holt. Die Stim­mung im Frei­willi­gen­bere­ich ist sehr lock­er und offen, alles geht aber sehr schnell — Vorstel­lungsrunde, Auf­gaben­verteilung, Anweisung für den Gebrauch von Wal­kie-Tal­kies, ein rasch­er Durch­gang durch das Gelände und schwup­ps ste­he ich auf meinem zugewiese­nen Ort und ver­suche mich in meine Rolle als “Augen und Ohren” des Fes­ti­vals einzufind­en. Die Auf­gabe ist eigentlich ein­fach: schauen, dass es allen gut geht und falls nicht, entwed­er die Sit­u­a­tion selb­st lösen oder um Hil­fe von der Secu­ri­ty oder dem Roten Kreuz bit­ten. Bei ein­er über­schaubaren Menge von Besuch­ern lässt sich das machen. Nach ein­er Stunde kommt eine Unter­stützung — eine sehr sym­pa­this­che Mit­stre­i­t­erin Namens Robin — und eine Her­aus­forderung — ein Som­mer­sturm. Wir zwei wer­den  zum ersten Konz­ert auf “Lit­tle Hen­rik” (der kle­in­sten Bühne) geschickt. Robin ste­ht direkt unter der Bühne und passt auf, dass sich jed­er vor der Bühne ben­immt. Ich und zwei andere Frei­willige lassen Leute rein und raus. Alle die mich anschauen, schmun­zeln — in ein­er Reflexweste und einem durch­sichti­gen Plas­tikpon­cho, der nur bis zu den Ellen­bo­gen und Knien reicht und nur wenig hil­ft, und mit ein­er Brille, die von der einen Seite nass wird und von der anderen Seite beschlägt, wirke ich wohl eher komisch als autoritär. Zumin­d­est sorge ich aber für gute Laune. Schließlich kommt ein Kerl Anfang 20 zu mir und sagt: “Wir sind gle­ich nass. Und du bist fan­tastisch”, und gibt mir ein nass­es Bus­si auf meine nasse Stirn. Tja, man merkt, dass nicht nur der Stab, son­dern auch das etwas angetrunk­ene Pub­likum, die Frei­willi­gen zu schätzen weiß.

"Paradisbukta" (die Paradiesbucht - eine der drei Festivalbühnen

Par­adis­buk­ta” (die Paradies­bucht) — eine der drei Festivalbühnen

Um 23 Uhr ver­lässt der let­zte Act und das High­light des Tages The Hel­la­copters im großen Stil die Bühne und somit ist Schluss für heute. Wie eine kleine, nette Armee in schwarz-weißen Frei­willi­gen-Shirts schick­en wir die let­zten Besuch­er Rich­tung Aus­gang, sam­meln Müll und die speziellen Plas­tik­bech­er ein, die bis zum näch­sten Jahr zur Blumen­erde wer­den sollen.

Auch wenn man sich sonst nicht oft sieht, sieht man sich in Bukta / Tag 2 — Freitag…

…und ich habe frei, also geht es gegen 18 Uhr aufs Gelände, heute als Besucherin. Ich komme alleine an, werde aber schon beim Ein­gang von den Fes­ti­valkol­le­gen angelacht und nach 5 Minuten tre­ffe ich zufäl­lig ein paar Fre­unde aus Trom­sø, mit denen ich den ganzen Abend ver­bringe. Erst durch sie ver­ste­he ich endlich, worum es bei Buk­ta geht. Auch wenn die Bühne schon oft mit inter­na­tionalen Stars wie Iggy Pop und Pat­ty Smith beset­zt wurde, ist das Buk­ta-Pub­likum doch sehr lokal und auch mit 6.000 Tages­be­such­ern rel­a­tiv über­schaubar. Hat man den einen oder anderen Mitschüler aus der 8. Klasse seit 15 Jahren nicht mehr gese­hen, trifft man ihn warschein­lich irgend­wann mal auf Buk­ta. Oder wenn man sich mit einem Kol­le­gen bish­er nur über die Arbeit unter­hal­ten hat, kann man auf Buk­ta über einem Teller “Lod­do Frit­to” (fritierte Lodde mit Chill­i­ma­jo) und “Ka du sei” (Nachos mit Seelachs) über die immer noch guten Gitar­ren­riffe der lokalen Rock­band, die nach vie­len Jahren ihren Come­back auf Buk­ta feiert, unter­hal­ten. Ich schlemme übri­gens auch: einen Teller leckere Suppe mit lokalen Schrimps und zwei “Fes­kekak­er”, spüle es mit mehreren — recy­cle­baren — Gläsern Buk­ta­bier runter und lasse mich dabei über die Großen des nor­wegis­chen Rocks belehren. Im Hin­ter­grund brüllt das Pub­likum die Texte von Glue­cifer mit. Eine Fes­ti­val­stim­mung, wie man sie so gerne mag!

Fun Fact: In Norwegen schlägt man mit einem Hammer auf den Stockfisch um Stockfischchips zu machen - auf Bukta macht man das auch.

Fun Fact: In Nor­we­gen schlägt man mit einem Ham­mer auf den Stock­fisch, um Stock­fis­chchips zu machen — auf Buk­ta macht man das auch.

You shall not pass, es sei denn, du bist ein Star oder bedienst einen / Tag 3 — Samstag…

… auf eine kurze Fre­itagsnacht fol­gt ein langer Sam­stag. Ich muss schon um 10 Uhr auf dem Gelände sein und meinen freien Fes­ti­valein­tritt mit ein­er zweit­en 8‑S­tun­den-Schicht ver­di­enen. Ich bin immer noch das Auge des Fes­ti­vals, dies­mal überwache ich aber den Back­stageein­gang. An mir vor­bei fahren Pick­ups mit Aus­rüs­tung und Last­wa­gen voller Bier vor­bei. Mitar­beit­er und Frei­willige radeln und laufen zur Arbeit. Ab und zu kom­men 9‑Sitzer mit schwarzen Fen­ster­scheiben zu mir. Erst nach ein­er Weile wird mir klar, dass in dem einen oder anderem vielle­icht Sivert Høyem — der Sänger mit der abso­lut schön­sten Stimme der Welt — sitzt und ich nur paar Zen­time­ter von ihm ent­fer­nt bin. Ab und zu wollen sich die Besuch­er an mir durch­drän­gen. “Es sind 100 Meter bis zum Ein­gang”, “Nein, hier darf man wirk­lich nicht rein, der Strand ist wegen des Fes­ti­vals ges­per­rt”, — ich ver­suche streng zu sein und als ein Auto mit zwei blonden Jungs durch will, werde ich fast böse. Da lächelt mich der Beifahrer mit ein­er Son­nen­brille und Caps an und meint: “Hei, ich heiße Mod­di”. Ups, ich hätte vielle­icht vor dem Fes­ti­val Hausauf­gaben machen sollen.
Acht Stun­den auf den Beinen sind schon lange, aber glück­licher­weise hält immer wieder jemand für eine kurze Unter­hal­tung an und die “Son­nen­schein­pa­trul­je” in Form von zwei Frei­willi­gen kommt auch immer wieder mit einem Korb voller Snacks, Kaf­fee, Wass­er, Son­nen­creme und Regen­pon­chos vor­bei. Nach der Arbeit geht’s dann noch schnell zum Frei­willi­gen­zelt zum Aben­dessen und Tschüss-Sagen und dann durch den Hauptein­gang zu den let­zten Konz­erten. Sivert, der vor kurzem vielle­icht wirk­lich an mir vor­beige­fahren war, ste­ht jet­zt auf der Bühne vor ein­er vollen Buk­ta. Und als der nord-nor­wegis­che Star Son­dre Jus­tad in seinem blau-orangen Anzug von ein­er Leit­er aus singt: “Det er over, det er over” (Es ist vor­bei, es ist vor­bei), höre ich auf meine müden Beine und laufe langsam Rich­tung Aus­gang. Schön war’s!

Nächstes Jahr gerne wieder / eine Zusammenfassung

Es sind einige Tage nach der Buk­ta und ich frage mich, warum ich mich nicht schon früher bei einem Fes­ti­val als Frei­willige angemeldet habe. Die Auf­gaben sind sehr mach­bar und hän­gen oft von den Präferen­zen, Erfahrun­gen und der Entschei­dung der Frei­willi­gen ab. Man muss schon etwas Ein­satz mit­brin­gen und an manchen Tagen aufs Fes­ti­val­bier verzicht­en, um seinen freien Ein­tritt zu Teilen des Fes­ti­vals zu ver­di­enen. Aber die Betreu­ung von Seit­en der Fes­ti­val­crew ist (zumin­d­est auf Buk­ta) sehr lock­er und nett. Braucht man eine kurze Pause, kann man nach ein­er fra­gen. Braucht man Unter­stützung, wird welche geschickt. Fürs Essen, Trinken und das Wohl der Frei­willi­gen wird so gut wie möglich gesorgt. Man bekommt einen guten Ein­blick hin­ter die Kulis­sen ein­er großen Ver­anstal­tung und kann sich in die hek­tis­che, aber doch angenehme und lustige Stim­mung der “Crew im Hin­ter­grund” hineinziehen lassen. Und nicht zulet­zt, man lernt viele offene, fre­undliche Men­schen kennen. 

In Trom­sø, in Nor­we­gen und in ganz Skan­di­navien gibt es ja Musik‑, Literatur‑, Film‑, Kul­tur- und Sport­fes­ti­vals das ganze Jahr über und alle sind von Frei­willi­gen abhängig. Man muss nur seine Favoriten find­en. (Hier auf Bess­er Nord als nie! haben wir let­ztes Jahr eine Über­sicht über Fes­ti­vals in Skan­di­navien veröf­fentlicht und vielle­icht lockt ja das Eine oder Andere?) Und warum sollte man in seinem Skan­di­navienurlaub nicht irgend­wo helfen, anstatt sich über den hohen Preis des Tick­ets zu ärg­ern?! Für mich war Buk­ta 2018 defin­i­tiv ein sehr pos­i­tives Erleb­nis und eine Moti­va­tion nach weit­eren Frei­willi­gen­möglichkeit­en zu suchen. Ich bin mir ziem­lich sich­er, dass es nicht nur mir so geht.

Und hier ist noch die offizielle Playlist! 

bukta.no/en/

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