Klikk her for å lese intervjuet på norsk. Bildene finner du i hovedartikkelen.
Bis in die 1920er Jahre wurde die vulkanische Insel Jan Mayen nur sporadisch von Walfängern, Fuchsjägern und Polarforschern besucht. Erst nach einem Gesetz vom 1930 wurde sie ein Teil vom Königreich Norwegen. Einen Verdienst daran soll das Meteorologische Institut haben, das dort 1921 die erste meteorologische Station gebaut hat. Bis auf eine kurze Unterbrechung während des Zweiten Weltkrieges erstellt es dort seither Berichte über die Wetterlage im Nördlichen Eismeer. Seit 1959 ist auch das Norwegische Militär auf der Insel präsent. Beide Institutionen entsenden ihre Mitarbeiter für ein halbes bis ein Jahr auf die Insel. Auf den 71. Grad nördlicher Breite, 600km nördlich von Island und 950km westlich von Norwegen, auf eine 377km² große Insel mitten im Nördlichen Eismeer. “Verrückt!”, dachte ich als mir ein Freund erzählte, dass er dort sechs Monate lang als Meteorologe arbeiten wird. “Beneidenswert!”, dachte ich, nachdem ich seine Antworten auf die folgenden Fragen wenige Tage von seiner Heimreise per Mail erhalten habe.
Hei Pål,
du wirst Jan Mayen bald verlassen, nachdem du dort ein halbes Jahr gewohnt hast. Freust du dich darauf nach Hause zu kommen oder könntest du dir vorstellen noch länger zu bleiben?
Ich hatte ein tolles halbes Jahr auf der Insel. Mit wunderbarer Natur, Menschen und Erlebnissen. Aber alles hat ein Ende. Und es wird schön sein, nach Hause zu fahren und Freunde und Familie wieder zu treffen. An die Heimreise habe ich aber eigentlich noch nicht viel gedacht. Ich könnte mir gut vorstellen, ein ganzes Jahr hier zu bleiben und den Winter auf Jan Mayen zu erleben. Die Zeiten in denen es möglich war, sind aber leider vorbei. Früher war man hier 12 Monate lang stationiert und das hat auch gut geklappt. Warum es geändert wurde, weiß ich nicht. Höchstwahrscheinlich, seit nach dem Arbeitsschutzgesetz für Arbeitsverträge die über sechs Monate gehen, ganz andere Regeln gelten.
Du arbeitest als Meteorologe auf einer Insel mitten in der Arktis. Wie sieht denn dein Alltag aus?
Der Alltag auf Jan Mayen ist anders als zu Hause, und gleichzeitig doch ein bisschen ähnlich. Alltag ist ja Alltag. Und ist man auf der Arbeit, dann ist man halt auf der Arbeit. Aber da wir in Schichten arbeiten und nicht täglich von 8 bis 16 Uhr, sind die Wochentage etwas vertauscht. Plötzlich hat man frei am Dienstag und Mittwoch, während die Anderen oft gerade da arbeiten. Also muss man imstande sein, sich selbst beschäftigen zu können.
Ich habe meine freien Tage zum Wandern in den Bergen und entlang der Küste genutzt, habe Filme geschaut, Bücher gelesen, lange Kaffeepausen gemacht und mit den Anderen gequatscht, in der Werkstatt gebastelt, trainiert, Musik gehört usw. Alle Aktivitäten im Freien sind wetterabhängig, also zu planen, dass man nächste Woche wandern gehen wird, ist unnötig. Auf die langfristige Wetterprognose sollte man sich nicht verlassen. Wir sagen hier oft, dass sie nur so lange stimmt, bis wir am Morgen aufwachen. Da weiß man dann, wie das Wetter wirklich wird. Man muss lernen, den Tag so zu nutzen, wie er ist. Ist das Wetter gut und man hat frei, muss man das, womit man gerade beschäftigt ist, liegen lassen, rauskommen und den Tag genießen. Wenn man gerne am Computer mit schnellem Internet sitzt, sollte man nicht hierher kommen. Das Handy hat hier auch keinen Empfang. Und ich fand es ganz toll, Urlaub von Telefon und Computer zu haben.
Welche (Aus-)Bildung sollte man haben, wenn man sich um einen Job auf Jan Mayen bewirbt?
Wenn es um die Stelle des Meteorologen geht, so reicht im Prinzip ein Abitur, ein Führerschein der Klasse B und ein gutes Führungszeugnis. Aber meistens werden Menschen angestellt, die eine Kompetenz in der Meteorologie haben. Viele Meteorologen, die gerade mit der Ausbildung fertig geworden sind, entscheiden sich für ein halbes Jahr im Eismeer, um praktische Erfahrungen zu sammeln.
Oft sind es aber die persönlichen Eigenschaften einer Person, die mehr zählen als eine spezifische Ausbildung. Außerdem sollte man einfache, praktische Arbeit an den Gebäuden und auf dem Gelände meistern können und bereit sein, Arbeit zu machen, die nicht spezifisch zum Wetterdienst gehört. Gibt es einen Wasserrohrbruch und das Wasser spritzt überall herum, muss man es einfach so gut reparieren, wie man kann. Einen Klempner anzurufen, so wie man es zu Hause macht, geht ja nicht.
Außer uns Vieren beim Wetterdienst, hat das Militär eine Station auf der Insel. Sie sind es, die im Prinzip für das Technische und Praktische der kleinen Gesellschaft sorgen — Strom und Trinkwasser produzieren, für die Wartung der Gebäude sorgen, Wege räumen und Essen liefern usw. Bei denen sind also auch Elektriker, Maschinenarbeiter und Ingenieure angestellt.
Ist es schwierig, eine Stelle auf Jan Mayen zu bekommen?
Die Stellen beim “Metten” [Abkürzung für das Meteorologische Institut] sind beliebt geworden vor allem nachdem der Norwegische Rundfunk NRK die TV-Serie Bjørnøya gezeigt hat. Soweit ich weiß, gab es über 200 Bewerber, als ich mich um die Stelle beworben habe. Ich bin also sehr dankbar dafür, sie bekommen zu haben.
Muss man eigentlich norwegischer Staatsbürger sein, um sich bewerben zu dürfen?
Ja, das muss man sein. Ich glaube gelesen zu haben, dass man mindestens zehn Jahre lang die norwegische Staatsangehörigkeit haben muss, um einen Job auf dem Eismeer zu bekommen. Ich weiß aber auch, dass hier eine Schwedin vor ein paar Jahren gearbeitet hat. Die Zusammenarbeit zwischen den skandinavischen Ländern ist ja ganz nah, also glaube ich, dass es für Schweden und Dänen einfacher ist, als z. B. für Amerikaner. Wie es mit EU-Bürgern im Allgemeinen ist, weiß ich nicht. Wenn man Lust hat, hier zu arbeiten, muss man sich einfach nur bewerben. Es ist einen Versuch wert.
Erstellt ihr Wettervorhersagen nur für Seeleute oder kann jeder eure Wetterberichte irgendwo finden?
Wir senden die Vorhersage für die hohe See zwei mal in 24 Stunden über den Küstenfunk raus. Diese kann man auch auf der Seite des Meteorologischen Instituts lesen. Früher wurde die Vorhersage für ein größeres Küstengebiet ausgestrahlt, aber jetzt gibt es eine dänische Wetterstation auf Grönland, die für die Gebiete westlich von Jan Mayen, also zwischen Jan Mayen und Grönland, zuständig ist.
Wie ist übrigens das Wetter auf der Insel gerade jetzt?
Gerade jetzt ist es grau: neblig, hohe Luftfeuchtigkeit, 7,5 Grad Celsius und schwacher Wind. Sehr gewöhnliches Wetter im Sommer und im frühen Herbst. Wenn der Nebel von der Seeseite reinkommt, kann er wochenlang auf der Insel liegen. Und das passiert auch gerade jetzt. Also hoffe ich auf kältere Tage, sodass sich der Nebel hebt und wir besseres Wetter bekommen. Morgen ist Sonne und wenig Wind gemeldet, also wollen wir zu dritt zum Høybergodden — Norwegens westlichstem Punkt — wandern. Es wird jetzt schon früher dunkel, also sehen wir auf dem Heimweg vielleicht sogar Nordlichter. Ich glaube, dass es ein schöner Tag wird. Wir hatten übrigens einen ganz tollen Sommer mit wenig Niederschlag und viel Sonne im Mai, Juni und Juli.
Am Anfang des Sommers hattest du große Badepläne gehabt und mir ein Bild in einer Badehose mitten im Eismeer versprochen. Wie viele Male war die Badehose tatsächlich an?
Hehehe, das war ja mehr als Witz gemeint. Aber ja, die Badehose war mehrmals an. Im Meer habe ich sie allerdings nicht angehabt. Dort war ich nackt baden. Es ist eine Tradition, die die Meisten einhalten und dann die Mitgliedschaft im “Ishavets Nøgenbadeforening” (Nacktbadeverein des Eismeers) erhalten. Ich habe zusammen mit vier anderen gebadet. Ich glaube, dass es im April war. Das Wasser war 1,1 Grad warm und es lag noch Schnee. Es war erfrischend, kann man also sagen. :)
Wir haben aber auch ein Wasserreservoir draußen vor der Station, in dem man baden kann. Das Wasser im Reservoir ist zur Not da, falls es einen Brand geben sollte. Außerdem ist es ein sehr wertgeschätzter Ort, an dem man entspannen kann. Der Prozess dahinter ist ganz schlau, finde ich. Das Wasser wird aus dem Meer in eine Wasserstation gepumpt, wo es entsalzt wird. Dann wird es unter anderem zum Kühlen der drei Generatoren benutzt, die Strom für die Insel produzieren. Danach wird es durch das Reservoir wieder zurück ins Meer geführt. Ein toller lokaler Wasserkreislauf. Beim Kühlen der Generatoren erwärmt sich das Wasser auf ca. 36–39 Grad Celsius, auf eine perfekte Badetemperatur also. Es ist super toll in diesem Wasser zu sitzen, auch bei Schneesturm und Minusgraden. Es ist wie ein künstlicher “Hot Spring”, etwas was man vielleicht aus Island kennt. Ein Kreislauf, bei dem wir den Wärmeüberschuss zum persönlichen Wohlbefinden nutzen können.
Es ist bekannt, dass Verschmutzung ein großes ökologisches Problem im Nördlichen Eismeer ist. Ist es auch auf Jan Mayen so?
Ja, sehr viel Abfall erreicht auch hier die Küste, so wie überall in den Küstengebieten. Es ist unglaublich, was man auf den Stränden findet. Alles von Shampooflaschen, Kunststoffkanistern, Sportschuhen, Seilen, Fischkisten, Weinflaschen, Netzen… Ich habe noch keine Flaschenpost gefunden, obwohl ich in alle Flaschen geguckt habe, die ich fand. Ohne Erfolg.
Es liegen hier auch viele alte Fassdeckel und viel Treibholz — vor allem Kiefer und Sibirische Lärche, die von den Meeresströmungen hierher gebracht wird. Das Treibholz wird höchstwahrscheinlich beim Transport von den Schiffen verloren, die auf dem Weißen Meer in Russland segeln, oder kommt über Flüsse ins Weiße Meer. Einige von den Stämmen sind sehr massiv, und beim Zählen der Jahresringe stellt man oft fest, dass sie mehrere Hunderte von Jahren alt sind.
Kümmert sich das Militär oder das Meteorologische Institut um die Abfallentsorgung?
Ja, wir haben ein paar mal einige Strände sauber gemacht, aber das ist freiwillig. Der Abfall wird in Säcke gesammelt und einmal pro Jahr mit Schiffen zum Festland geschickt. Nach Absprache mit dem Norwegischen Umweltdirektorat bekommen wir eine kleine Summe Geld für jeden Sack, den wir füllen. Das Geld geht an den “Hobbyklub” und wir benutzten es, um Sportausrüstung, Ski, Musikinstrumente u. Ä. zu kaufen, die alle nutzen können. Ich glaube, dass wir im Laufe des letzten halben Jahres ca. vier Kubikmeter, eine halbe Tonne, gesammelt haben.
Im Laufe des Sommers hattet ihr auch Besucher — zum Beispiel von Kreuzfahrtschiffen. Dürfen die Passagiere ans Land kommen?
Ja, es kommen einige Kreuzfahrtschiffe, außerdem auch einzelne Forschungsboote und kleinere, private Segelboote. Alle Gäste müssen ihre Ankunft im Voraus anmelden und dürfen sich maximal 24 Stunden auf der Insel aufhalten. Sie müssen eine eigene Ausstattung zum Übernachten dabei haben. Es gibt nur einen Ort auf der Insel an dem sie zelten dürfen. In einigen Fällen kann man eine Aufenthaltserlaubnis, die bis zu zu einer Woche lang gültig ist, bekommen. Diese wird weitgehend nur für technisches Personal, Forscher und Menschen mit Verbindung zu Kulturdenkmälern auf der Insel ausgestellt. Zum Beispiel war ein Niederländer, von der Niederländischen Marine, für eine Woche hier, um ein Denkmal auf den Gräbern von niederländischen Walfängern zu renovieren, die hier im 17. Jahrhundert umgekommen sind.
Große Teile der Insel stehen unter Schutz, also gibt es strenge Regeln, wenn man das Land betreten will. Bricht man die Vorschriften, wartet eine hohe Geldstrafe. Der Stationschef hat Polizeibefugnis und darf nach dem Gesetz Geldstrafen erteilen, was auch schon passiert ist.
Bekommen die Touristen Führungen auf der Insel?
Alle Kreuzfahrtschiffe haben eigene Expeditionsteams, die das Anlegen und die Führungen selbst übernehmen. Es gibt auf der Insel keinen Kai, also müssen alle mit Tenderbooten ans Land gebracht werden. Dies ist auf Grund der Meeresbewegungen oft nicht einfach. Ein Paar Schiffe sind nur vorbeigefahren, da sie es nicht für sicher hielten, an Land zu gehen.
Wir nehmen nur dann Schiffe entgegen, wenn wir die Sicherheit für alle, die ans Land kommen, garantieren können. Der Stationschef entscheidet fortlaufend darüber.
Natürlich möchten wir gastfreundlich und für die Gäste zugänglich sein. Aber wir haben auch unsere Arbeit, um die wir uns kümmern müssen und haben daher nicht viel Möglichkeit zu umfassenden Führungen. Die Gäste dürfen Teile der Station besuchen und sich auf dem Stationsgelände umschauen, in unserem kleinen Laden einkaufen und bekommen einen Stempel in den Pass, wenn sie es möchten. Immer wenn ich die Gelegenheit hatte, habe ich mit den Gästen ein bisschen gesprochen, ihnen von der Insel und der Station erzählt.
Aus welchen Ländern kommen all diese Schiffe?
Von den Kreuzfahrtschiffen war es eine niederländische Reederei, die mit zwei Expeditionen kam, ein japanisches Schiff, auf dem der Altersdurchschnitt der Passagiere 85 Jahre war, die Fram von den norwegischen Hurtigruten war auch ein Mal hier und dazu noch ein Boot von National Geographic.
Das letzte niederländische Schiff kam im Juni. Wir wurden an Bord eingeladen als die meisten Touristen an Land waren. Wir sind dann um den Nord-Jan gesegelt und sind auf der anderen Seite der Insel wieder ans Land gekommen. Das war sehr eindrucksvoll. Wir haben auch etwas Gemüse und Obst geschenkt bekommen, was sehr herzlich entgegengenommen wurde.
Wie ist es mit persönlichen Besuchern — Familie und Freunden? Es ist wohl nicht so einfach, Besuch zu bekommen oder kurz mal heim zu fahren?
Nein, es ist nicht so einfach. Die Landebahn ist nur ein paar Monate im Jahr geöffnet. Der Grund dafür ist nasser Sand und viel Oberflächenwasser nach dem Winter. Es ist auch weit nach Norwegen, ca. drei Stunden Flugzeit, also muss man die Reise gut planen. Nur Militärflugzeuge fliegen hierher. Man kann zwar auch mit Hubschraubern von Island aus hierher fliegen, aber da muss man hier vor der Rückreise nachtanken. Wir haben ein Treibstofflager, jedoch nur für den Notfall, also bekommen wir keine Hubschrauberbesuche.
Während ich hier war, gab es zwei Flugzeugankünfte. Es war jetzt im August und es lag eine Woche zwischen ihnen. Ich hatte das Glück, Tagesbesuch von zwei Freunden zu bekommen. Sie waren für ca. fünf Stunden hier, bevor sie wieder heim geflogen sind.
Außerdem gibt es immer im März und im September Flugzeugankünfte wegen der Kontingentwechsel und noch eine Flugverbindung an Weihnachten.
In der Periode für die man hier ist, gibt es nur selten Gelegenheit in den Urlaub nach Hause zu fliegen. Nur in sehr besonderen Fällen, wie ernsthafte Erkrankung naher Angehöriger, wird eine Sondertransportmöglichkeit organisiert.
Wie viele Menschen leben insgesamt auf der Insel?
Wir sind hier 18 Menschen, die eng nebeneinander leben — in guten und schlechten Zeiten, meist in den Guten. Wir essen Frühstück, Mittag- und Abendessen jeden Tag zum gleichen Zeitpunkt, wir arbeiten zusammen, wir sehen einander die ganze Zeit…
Wenn man sich eure Seite anschaut und dort den kleinen Blog liest, sieht man gleich, dass ihr sehr sozial seid und viel Spaß zusammen habt: es gab Geburtstagsfeiern, ein 17. Mai Fest usw. Hat man überhaupt Zeit für sich selbst?
Gute Frage, auf die ich ja und nein antworten würde. Wenn man sich auf der Insel wohl fühlen soll, ist es wichtig, gut allein zurecht zu kommen, aber im selben Grad muss man gut mit anderen Menschen zusammenleben können. Man muss zum Gemeinschaftsleben und zum Zusammenhalt beitragen. Und gerade das macht ja Spaß. Wenn man ins Eismeer möchte, um in Ruhe gelassen zu werden und isoliert von anderen zu leben, hat man eine falsche Vorstellung von dem Leben hier und sollte noch einmal drüber nachdenken, warum und ob man hierher kommen möchte. Eine Person, die sich von den anderen abgrenzt, kann es für die ganze Gruppe kaputtmachen und wird nur selten angestellt. Wenn man im Koffer persönliche Probleme mitbringt, werden sie hier zehn mal größer. Alles wird sichtbar. Ist man zu Hause etwas trübsinnig, kann man sich sicher sein, dass es durch den Aufenthalt hier nicht besser wird. Ich glaube, dass ein geordneter Sinn und eine stabile Gefühlslage nötig sind, damit man hier eine schöne Zeit hat.
Die Gruppe wird zu einer Art großen Familie. Und wie die meisten sicherlich wissen, können Familienabendessen mal sehr schön sein und mal nicht so viel Spaß machen. So ist es einfach. Eigentlich denke ich über sowas aber selten nach und sehe in dieser Hinsicht kein Problem. Die Tage sind in der Regel gefüllt mit viel Lachen und Freude. Ich habe hier wunderbare Menschen kennengelernt und an manche Augenblicke mit ihnen werde ich mich für immer erinnern.
Und natürlich ist es möglich, alleine zu sein. Jeder von uns hat eine kleine Wohnung, in die man sich zurückziehen kann. Es ist hier nicht so wie auf dem Festland, wo man sich zwischen verschiedenen Sozialkreisen frei bewegen, halbnackt in der Wohnung rumlaufen und laut Musik hören kann. Es ist eher wie in einem Studentenwohnheim zu wohnen.
Man kann auch alleine wandern gehen. Es gibt einige Wanderhütten, alte Jägerhütten und Forschungsstationen, die wir nutzen dürfen. Einige sind leichter zu erreichen als andere und wenn man wirklich alleine sein möchte, kann man für ein paar Tage zu einer von den ganz unzugänglichen gehen. Einige haben Platz für nur einen Übernachtungsgast. Und es sind einige Dutzend Kilometer bis zum nächsten Nachbarn.
Was war das Tollste, das du auf Jan Mayen erlebt hast?
Es gibt so viel. Mein Traum war es, auf den Beerenberg hochzuklettern, einen Vulkan, der 2.277 Meter in die Höhe ragt. Die Wanderung dahin steht als Höhepunkt ganz vorn. Es ist eine fantastische Tour, bei der man die meiste Zeit einen Gletscher mit vielen Spalten und Schluchten hoch läuft und eine wunderbare Aussicht genießt. “Die längste Steigung Norwegens”, wird der genannt. Man beginnt auf Meeresebene und geht nur hoch. Wir sind insgesamt 18,5 Stunden lang gelaufen, im strahlenden Sonnenschein über 400 Meter Höhe. Unvergesslich!
Und den Übergang vom Winter zum Frühling zum Sommer und zum Herbst hier in der Arktis erleben zu können, ist magisch. Die Insel bekommt jeden Sommer ein neues Leben mit allen Vögeln die hierher kommen, um zu nisten, Walen, die direkt vor der Küste jagen, und Farbkontrasten in der Natur. Aus einer stillen, windigen und unfruchtbaren Insel, nur mit Schnee, Eis und schwarzen Lavasteinen bedeckt, wird plötzlich ein Ort voll wimmelndem Leben, mit vielen neuen Geräuschen und Farben. Es gibt hier keine Bäume, aber sehr viel dickes Moos, in dem ich sehr gerne liege und dabei die Wolkenfiguren beobachte. Wenn es an einem Tag nass ist und danach das Wetter gut ist, wird das Moos irre grün und fast selbstleuchtend. Ganz unglaublich. Kleine Freuden, aber sie sind unvergesslich.
Nach deiner Erfahrung von den letzten sechs Monaten — was sind die fünf wichtigsten Sachen, die man dabei haben muss, wenn man auf einer öden (arktischen) Insel strandet?
Erfindungsgabe, gute Laune und sehr viel Freigiebigkeit den anderen Menschen gegenüber. Dazu auch noch warme Kleidung und außergewöhnlich gute Schuhe. Die vulkanischen Steine sind scharf wie Messer und das Schuhwerk nutzt sich schnell ab.
Du hattest also eine wunderbare Zeit, hättest auch Lust den Winter auf der Insel zu erleben — heißt es vielleicht, dass du dich nochmal auf den Job bewerben wirst, um zurück zu kommen?
Ich hoffe, dass ich einmal zurück kommen werde. Es ist ja so schön hier zu sein. Aber ich glaube, dass das Klügste, was man hierzu sagen kann, wäre, dass ich es am besten wissen werde, wenn ich von dem Ganzen etwas Abstand bekommen habe. Gerade jetzt befinde ich mich immer noch in einer Blase.