von Annika Mamat
Es gibt wohl nichts, für das Island bekannter ist, als seine atemberaubend
Natur. Wobei atemberaubend wahrlich die falsche Wortwahl ist. Man spürt beim Atmen förmlich wie sauber die Luft ist und will am liebsten eine Dose — oder besser noch einen Kanister — mit nach Hause nehmen. Eines der wenigen Länder, bei dem ich allein beim Anschauen von Bildern Fernweh bekomme, ist Island. Also buchte ich eine Woche Island, um endlich das Fernweh zu stillen. Im Nachhinein weiß ich: die Fotos waren nur ein minimaler Vorgeschmack auf Island, live und in Farbe, ganz ohne Filter, ist es so viel schöner! Hier folgt der Bericht!
Die rauchende Bucht — Reykjavík
„Island ist wie das nordeuropäische Lanzarote!“, stellt meine Freundin Marié selbstbewusst fest, als ich sie vor der Hallgrímskirkja, der größten Kirche in Reykjavík, abhole. Und mit ihrer Aussage hat sie nicht ganz unrecht. Islands Natur ist so vielfältig, da ist es nicht schwer Ähnlichkeit mit anderen Ländern zu finden. Ich reise einen Tag vor Marié an, da wir von unterschiedlichen Flughäfen ins Abenteuer abheben.
Wie die meisten Reisen durch das Land von Eis und Feuer, beginnt auch unsere Tour in der „rauchenden Bucht“ oder wie es auf isländisch heißt: Reykjavík. Die Stadt ist im Vergleich zu allen anderen Hauptstädten, in denen wir waren, die sympathischste, bunteste und aufgrund der geringen Einwohnerzahl übersichtlichste. Mit Ende September/Anfang Oktober haben wir eine Zeit erwischt, die uns scheinbar das Beste von allem gibt. Wir haben genug Tageslicht, um alles erkunden zu können, es ist weder
zu warm noch zu kalt und die Touristenansammlungen sind meistens klein und übersichtlich, da sich die Hauptsaison dem Ende neigt. Natürlich hat die Stadt einige bekannte Sehenswürdigkeiten zu bieten. Was uns aber am allermeisten begeistert und anzieht, sind die modernen kleinen Läden, die lockere isländische Lebensart und das Grafitti an den Hauswänden, das selbst ein Kritiker als Kunst anerkennen muss.
Und natürlich die Bäckerei „Brauð & Co.“, die alles zu vereinen scheint: einen entspannten Laden, in dem man dem Bäcker auf die Finger schauen kann, der von außen aussieht wie in Farbe getaucht und die besten Zimtschnecken herstellt, die ich je gegessen habe. Obwohl wir uns in Reykjavík wohlfühlen und es gefühlt hinter jeder Hausecke etwas Neues zu entdecken gibt, wäre eine Reise nach Island, die nicht über die Stadtgrenzen Reykjavíks hinausführt, wie eine Zimtschnecke ohne Zimt: auch ganz nett, aber nichts zu Außergewöhnliches.
Der Golden Circle
Somit verlieren wir von unserer, leider auf eine Woche begrenzten, Zeit nicht allzu viel und fahren gleich am nächsten Tag los gen Südosten. Mariés ADAC Kontakte, die sich auf eine einfache Mitgliedschaft beschränken, verhelfen uns zu einem vergleichsweise günstigen kleinen Mietwagen, den wir bereits am ersten Tag nach der berühmten isländischen Sängerin Björk benennen. Am ersten Tag ist unser Plan, den bekannten Golden Circle abzugrasen. Obwohl Þingvellir und die Geysire ein faszinierendes Naturspektakel sind, merkt man doch zwei Dinge: Parken ist selten umsonst, was unserem studentischem Portemonnaie ein bisschen zusätzlich wehtut. Außerdem gibt es einen linearen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Touristen einer Sehenswürdigkeit und der Bekanntheit dieser. Im Laufe unserer Reise wird uns aber noch auffallen, dass die Touristen weniger werden, je weiter man sich von Reykjavík entfernt und dass die schönsten Orte in Island in unseren Augen nicht gleichzeitig auch die bekanntesten sind. Nichtsdestotrotz ist der berühmte Seljalandsfoss das größte Highlight dieses Tages. Nicht nur weil man hinter den Wasserfall laufen kann und dabei die schönsten Regenbögen sieht, sondern, weil man manchmal einfach ein bisschen Glück haben muss und von freundlichen Mittouristen ein Parkticket geschenkt bekommt. Es sind die kleinen Dinge… Abends übernachten wir in Islands südlichstem Ort Vík. Unser Guesthouse hat Wände so dick wie Papier, deswegen beschränkt sich unsere Nachtruhe auf wenige Stunden.
Von Sonnenschein zu undurchsichtigem Nebel in Sekunden
Heute stellen wir auch fest, dass man die Warnungen der Einheimischen bezüglich des Wetters nicht unterschätzen sollte. Wir hätten es niemandem geglaubt, wenn es uns nicht selbst passiert wäre, aber innerhalb von Sekunden (!) kann man von Sonnenschein in eine absolut undurchsichtige Nebelwand fahren. Diese Nebelwand führte uns an diesem Tag zur Gletscherlagune, die nach dem Winter, mit mehr Eisbergen in der Lagune, sicherlich noch beeindruckender ist, aber für uns schon ein kleines Wunder darstellt.
Und die Wanderung im Skaftafell Nationalpark zum Svartifoss war einer der scheinbar unendlich vielen Höhepunkte unserer Reise. Anschließend übernachten wir in der Nähe von Höfn. Was zuerst klingt wie ein bayrisches Dorf, beschert uns eines der größten am Himmel beobachtbaren Phänomene: wir sehen nachts zwischen vier und fünf Uhr die Aurora Borealis, im Volksmund als Polarlicht bekannt. Und dabei entdecken wir einen so klaren Sternenhimmel, den keine Kamera der Welt einfangen könnte (vor allem nicht unsere Handykameras). Dafür hat sich das in der Kälte stehen und mit offenen Augen schlafen definitiv gelohnt.
Herzförmigen Ampeln in Akureyri
Der nächste Tag stellt sich als anstrengend heraus, da wir nicht viel machen, außer Auto fahren. Obwohl es ziemlich einfach sein sollte, einem in sich geschlossenen Weg namens Ringstraße zu folgen, schaffen wir es aufgrund von unübersichtlicher Straßenbaustellen falsch zu fahren und sind einfach nur froh, als wir nachmittags im Hostel in Egilsstaðir sind. An diesem Tag spazieren wir nur noch durch den ruhigen Ort und essen Skyr. Die Fahrt am nächsten Tag unterbrechen wir für drei Wasserfälle: Dettifoss, Goðafoss und Selfoss. In Akureyri, der viertgrößten Stadt Islands, gibt es wieder ein paar mehr Leute und menschengemachte Sehenswürdigkeiten. Wie zum Beispiel die herzförmigen roten Ampeln, die in der ganzen Stadt zu finden sind.
Siglufjörður — wie Teil einer isländischen Saga
Bevor wir unsere Reise am nächsten Tag fortsetzen, empfiehlt uns der Besitzer des Hostels dort eine Route über den Norden zu nehmen, da es im Westen auf dem Weg zu unserem vorletzten Halt kein ideales Wetter geben soll. So finden wir Siglufjörður, eine kleine Stadt, die vor uns scheinbar noch nie Touristen gesehen hat. Hier merken wir, dass die Uhren in
Island ein bisschen anders ticken. Man fühlt sich wie auf einem anderen
Planeten, umgeben von nichts als wolkenverhangenen Bergen, Seen und dem Meeresrauschen. Mit ein bisschen Phantasie, sieht die Landschaft so mystisch aus, dass man sich wie Teil einer isländischen Saga fühlt. Vor lauter Verwunderung vergessen wir sogar unsere Handys zu zücken und das klassische Urlaubsfoto zu schießen.
Bitte alles nochmal!
Am nächsten Tag müssen wir nur noch 100 Kilometer bis Reykjavik zurücklegen und verbringen somit den letzten Tag nochmal in der Hauptstadt. Im Café Paris verbringen wir fast den gesamten Nachmittag damit zu reden, Leute zu beobachten und Nationalitäten zu erraten. Abends essen wir in einem Restaurant, das mit einer TripAdvisor Bewertung wirbt, in der ein Gast die Pizza in diesem Restaurant als die schlechteste bezeichnet, die er je hatte. Damit kann man uns auf jeden Fall locken. Am nächsten Tag steigen wir in dann in aller Frühe melancholisch in das Flugzeug und wünschten uns, alles nochmal zu sehen und erleben zu können. Island sehen und sterben, oder wie war das?
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