Nach langer Zeit habe ich mal wieder einen Krimi lesen wollen und das aktuelle Buch von Camilla Grebe lag schon eine Weile auf dem Nachttisch. Obwohl der Wälzer knappe 600 Seiten zählt, hat mich das Cover angesprochen und das Regenwetter der letzten Tage war einladend. Letztendlich hab ich das Buch in zwei Tagen durchgelesen, weil es so unglaublich fesselnd war, dass ich es echt nicht aus der Hand legen wollte.
Die Geschichte handelt von einem Cold Case, der jetzt — nachdem die Verjährung für Mord in Schweden aufgehoben wurde — erneut untersucht werden soll. Vor 20 Jahren wurde ein kleines Mädchen ermordet und im Ormberger Wald verscharrt. Damals führten die Ermittlungen ins Nichts und keine Verdächtigen wurden gefunden. Heute soll eine neue Ermittlungstruppe um Profilerin Hanne und Jungpolizistin Malin den Fall endlich aufklären. Dann verschwindet jedoch Hanne und als sie wieder auftaucht, kann sie sich an nichts mehr erinnern. Außerdem wird eine zweite Leiche gefunden, am selbem Ort wie einst das kleine Mädchen. Zufall?
Die schwedische Autorin Camilla Grebe erzählt ihren Fall mit Hilfe der Polyperspektivität. Aus insgesamt drei unterschiedlichen Blickwinkeln bekommen die Leser*innen den Fall präsentiert, wobei diese diachronisch vorgestellt werden über einen Zeitraum von 25 Jahren. Dadurch erhöht sich die Spannung besonders, da irgendwer immer schon mehr weiß als alle anderen, die Leser*innen eingeschlossen. Wir hören von Malin, die damals als Teenager außerdem die Kinderleiche gefunden hat, von Hanne, die vor und während ihres Verschwindens alle ihre Handlungen in einem Tagebuch festgehalten hat, das der dritte Erzähler Jake gefunden hat und — statt es der Polizei zu geben — in kurzen Episoden liest. Durch die kurzen Episoden der Erzählerinnen und dem Erzähler, werden die zwei Mordfälle immer weiter aufgerollt und wir kommen dem Täter immer mehr auf die Spur. Neben den eigentlichen Mordfällen spielt aber auch der fiktive Ort Ormberg und seine engstirnigen Bewohner*innen eine zentrale Rolle in Tagebuch meines Verschwindens. Grebe verbindet den Psychothriller geschickt mit einer Sozialstudie über eine zerbrechliche Gesellschaft, die wir heute leider — in Zeiten von Afd und Flüchtlingskrise — wiederkennen dürften.
Langsam, aber sicher, zieht Camilla Grebe die Leser*innen in den Bann ihrer Geschichte, die schnell zu Ende gelesen werden will. Die Schwedin hatte bereits als Teil des Autorenduos Grebe/Träff auf sich aufmerksam gemacht, ihr Psychothriller “Wenn das Eis bricht” (2017) war ihr erster eigener Thriller. “Tagebuch meines Verschwindens” schließt locker an dieses Erstlingswerk an, ist aber auch wunderbar als eigenständiger Krimi zu lesen. Jedenfalls ist er sehr empfehlenswert!
Info:
Camilla Grebe — Tagebuch meines Verschwindens
Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs
btb Verlag, 608 Seiten
Pingback: NordNerds Thema: Nordische Literatur - Besser Nord als nie!