Die Sonne scheint und endlich wird es warm und … alle sind drinnen. Damit euch bei der Isolation nicht zu langweilig wird, habe ich hier ein paar Buchempfehlungen für euch, die euch ein paar Stunden versüßen werden. Welche (skandinavischen) Bücher lest ihr grad, die ihr empfehlen könnt?
Kjersti A. Skomsvold — Meine Gedanken stehen unter einem Baum und sehen in die Krone
Die Ich-Erzählein erzählt ihrer neugeborenen Tochter über ihre Geburt, ihre Familie und wie es zu ihrer Geburt kam. Dabei immer im Hintergrund ihre eigentliche große Liebe, das Schreiben, und ob sie Mutterschaft und Leidenschaft überhaupt verbinden kann.
Skomsvold hat einen sehr poetischen Roman geschrieben, der das weiterhin komplizierte Thema von Mutterschaft und Beruf thematisiert. Still und nachdenklich präsentiert sie die Geschichte und dessen Charaktere, die schnell Parallelen mit dem eigenen Leben finden.
Aus dem Norwegischen von Ursel Allenstein. Hoffmann und Campe, 2019.
Sigríður Hagalín Björnsdóttir — Blackout Island
Von einem Tag auf den anderen ist Island von der Außenwelt abgeschnitten. Zunächst bewahren alle noch Ruhe, gehen weiterhin zur Arbeit und hoffen auf Neuigkeiten. Schnell verändert sich jedoch die Stimmung im Land. Geld verliert seinen Wert, Essen und Benzin sind die neue Währung. Die Regierung greift immer mehr in das öffentliche und private Leben der Menschen ein, die Polizei bekommt mehr Rechte und kritische Journalisten verschwinden.
In Blackout Island malt Sigríður Hagalín Björnsdóttir ein bedrückendes Endzeit-Szenario voller Einsamkeit, Härte und Hoffnungslosigkeit, das einen atemlos und erschreckt zurücklässt. Die Autorin baut die Stimmung geschickt auf, mit jeder Seite wird sie bedrohlicher und unheimlicher und lässt Schlimmstes erahnen. Besonders gruselig sind die Zustände, in der wir unsere eigene Realität beziehungsweise unsere Nahe Zukunft wiederkennen und hoffen, dass es nie, nie dazu kommen wird.
Aus dem Isländischen von Tina Flecken. suhrkamp taschenbuch, 2018.
Helga Flatland — Eine moderne Familie
Helga Flatlands Roman “Eine moderne Familie” ist ein unaufgeregtes Buch über eine normale, norwegische Familie. Vater, Mutter und die drei erwachsenen Kinder Liv, Ellen und Hakon fahren zusammen in den Urlaub, um den runden Geburtstag des Vaters zu zelebrieren. Dort eröffnen die Eltern, dass sie sich scheiden lassen werden. Eine Information, die die Kinder alle unterschiedlich verarbeiten.
“Eine moderne Familie” ist aus dem Leben gegriffen und erfrischend unspektakulär. Aus den drei geschwisterlichen Perspektiven wird die Geschichte entrollt und das Thema Familie von allen drei Protagonist*innen unterschiedlich interpretiert. Lebensnah entfaltet sich so eine sehr spannende Geschichte, die das Paradox Familie durchleuchtet und auch hinterfragt.
Aus dem Norwegischen von Elke Ranzinger. Weidle Verlag, 2019.
Mikael Niemi — Wie man einen Bären kocht
Eines Tages verschwindet eine Magd spurlos im Wald, kurz darauf wird sie tot aufgefunden. Die Einheimischen glauben, es sei ein Bär gewesen und setzen ein Kopfgeld aus. Der Prediger Lars Levi Laestadius und sein Schüler Jussi deuten die Spuren jedoch anders und sind sich sicher, ein Mensch steht hinter den Verbrechen. Die Dörfler sind aber nicht leicht zu überzeugen…
Mikael Niemis Schreibstil ist wieder einmal betörend: Die Ich-Erzählung wird von Jussi und im Verlauf des Buches vom Pastor geteilt und geben so ein interessantes Bild des kleinen Dorfes. Niemis Figuren sind lebendig und glaubwürdig und bleiben einem auch nach dem letzen Wort noch länger im Kopf.
Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt. btb, 2019.
Jørn Lier Horst — Wisting und der fensterlose Raum
Kommissar William Wisting soll herausfinden, was es mit den Umzugskisten mit achtzig Millionen Kronen auf sich hat, die in der Sommerhütte eines kürzlich verstorbenen Spitzenpolitikers gefunden wurden. Die Kisten standen im innersten, fensterlosen Raum des Hauses. Bevor die Presse davon Wind bekommt, soll Wisting die Herkunft der Kisten klären.
Jørn Lier Horst hat einen ruhigen Krimi geschrieben, der ohne grausiges Gemetzel und Leichenregen zu erfreuen weiß. Die Figuren werden mit ausgeklügelter Spannung durch den Fall geführt, der einige überraschende Wendungen bereit hält. Die Ermittlungsarbeit wird überzeugend realistisch dargestellt, denn Jørn Lier Horst war selbst einmal Kriminalhauptkommissar. Dadurch wird die Geschichte aber auch sehr langsam und manchmal mühselig erzählt, denn „so sei Ermittlungsarbeit nun mal”, wie Wisting selbst anmerkt. Dennoch ist der Fall spanend und liest sich schnell weg.
Aus dem Norwegischen von Andreas Brunstermann. Piper, 2020.
Karl Ove Knausgård — So viel Sehnsucht auf so kleiner Fläche: Edvard Munch und seine Bilder
Als Karl Ove Knausgård gebeten wurde, in Oslo eine Edvard-Munch-Ausstellung zu kuratieren, sagte er spontan zu, obwohl er „sich nur gerne Gemälde ansah und in Bildbänden blätterte“. Sein Buch zum Thema „Edvard Munch und seine Bilder“ schwadroniert unterhaltsam und anekdotenreich, manchmal weitschweifig über Munch und in Schleifen über andere Kunstschaffende, erzählt aber egozentrisch viel zu und über Knausgård – und so wird es nur ein weiterer Teil seines 6000-Seiten-Werks „Min Kamp“. Wir lesen, wann der Autor mit dem Maler zuerst in Berührung kam (in der Schule) und wie welche Bilder wann auf diese oder jene Weise auf ihn, Knausgård, gewirkt haben. Künstlerseelen eint die Einsamkeit, ihre komplizierten Frauenbeziehungen, Brüche in Lebensverläufen und die ständige Suche nach Anerkennung und höchster Perfektion. Damit wird „So viel Sehnsucht auf so kleiner Fläche“ zwar auch ein Buch über die Wahrhaftigkeit des künstlerischen Schaffens, aber nicht unbedingt allein ein Buch über die von Edvard Munch.
Aus dem Norwegischen von Paul Berf. Luchterhand Literaturverlag, 2019.
Marta Breen — How to be a feminist
Die Autorin und Feministin Marta Breen erklärt in ihrer Streitschrift, warum es für die Gesellschaft einfach von Vorteil ist, gleichberechtigt zu sein. Sie räumt mit Märchen und Vorurteilen auf und zeigt, wie Vorreiter Skandinavien das Thema Feminismus erfolgreich in den Alltag integriert.
Sie schreibt verständlich und unterhaltsam und ihre Aussagen sind von Jenny Jordahl anschaulich illustriert worden. Besondere Begriffe (wie Catcalling, Misogynie oder Feministische Außenpolitik) werden außerdem in extra Kästen genau erklärt, sodass alle Leser*innen bestens informiert sind. Das komplexe Thema Feminismus wird hier nicht umständlich und theoretisch vorgetragen, sondern konzentriert sich konkret auf einzelne „Baustellen“. Der Band ist ein praktisches Handbuch, das zum Handeln und Mitmachen aufruft und Lösungsvorschläge anbietet.
Aus dem Norwegischen von Nora Pröfrock. Elisabeth Sandmann Verlag, 2020.