Die diesjährige Almedalswoche galt als eine entscheidende Etappe im Wahlkampf der im September anstehenden Parlamentswahlen in Schweden. Jeden Sommer haben in Visby acht Tage lang sämtliche Parteien und Organisationen die Möglichkeit, sich mit Reden und Seminaren zu präsentieren.
Jedes Jahr wird ein Schema festgelegt, nach dem jeder Tag der Rede eines Vorsitzenden der Reichstagsparteien vorbehalten ist. Den Auftakt machte danach am Sonntag, den 29. Juni, der sozialdemokratische Stefan Löfven. Nach den Berechnungen von Radio Gotland zog Löfvens Rede mit 5500 Leute das größte Publikum an. Möglicherweise lag das aber auch an der vorhergehenden musikalischen Unterstützung durch Miss Li und ihrer Band. In seiner Rede behandelte Löfven die typisch sozialdemokratischen Themen – Arbeitsmarkt- und Schulpolitik sowie soziale Gerechtigkeit – , rahmte diese aber in eine Mahnung für Demokratie und Frieden und gegen Rassismus und Faschismus ein. In diesem Zusammenhang nannte er auch die Sverigedemokraterna eine rassistische Partei mit nazistischen Wurzeln und bezeichnete die Partei als „größten Schädling der Solidarität“.
Damit nahm Löfven auch eines der populärsten Themen auf, die seit der EU-Wahl die politischen Debatten in Schweden bestimmen. Während der ganzen Woche hat das Svenska Dagbladet (SvD) gemessen, wie viele Minuten die Parteivorsitzenden in ihren Reden verschiedenen Themen widmeten und welche Themen die sozialen Medien dominierten.
„Die drei Themen, über die auf dem Rednerpult am meisten geredet wurde, sind sehr deutlich mit den Parteien verbunden, die bei der EU-Wahl im Mai mit ihren Erfolgen überraschten: Gleichstellung (Feministiskt initiativ), Umwelt (Miljöpartiet) und Einwanderung/Integration (Sverigedemokraterna)“. Bei der EU-Wahl gelang den SD und Fi (Feministischen Initiative) erstmals der Einzug ins Europa-Parlament und die Miljöpartiet (die Umweltpartei) konnte sich sogar als zweitstärkste Kraft behaupten.
In den sozialen Medien gehörten laut SvD die Themen Rassismus und Nazismus die ganze Woche über zu den meistdiskutierten Themen. Auch wenn das Thema Gleichstellung in den Diskussionen im Netz etwas dahinter zurückblieb, so gehörte doch die Sprecherin der Fi, Gudrun Schyman, zu den fünf meist erwähnten Personen der Almedalswoche.
In seiner Rede am 1. Juli nahm der SD-Vorsitzende, Jimmie Åkesson, deutlich Anstoß an Löfvens Worten. „Es ist kein Rassismus, Schwedenfreund zu sein. Es ist Mitmenschlichkeit“, so Åkesson. Insgesamt gehörte Åkesson zu den Parteivorsitzenden, die einen Großteil ihrer Redezeit der Kritik anderer Politiker widmeten und wenig eigene konkrete Vorschläge machten. Das Kernthema der SD, Einwanderung, dominierte aber auch wie üblich Åkessons Ausführungen. Laut Åkesson würde Einwanderung Flüchtlingen nicht helfen. Daher bräuchte es eine „human ausgerichtete Flüchtlingspolitik, die kein Wettbewerb darüber ist, die meisten permanenten Aufenthaltsgenehmigungen zu bewilligen“.
Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt überzeugte mit seiner Rede am Donnerstag rhetorisch am meisten. Zu beginn fragte er, ob Lehrer im Publikum seien und bedankte sich bei ihnen für ihre harte Arbeit. „Ist hier jemand, der in einem anderen Land geboren wurde?“, fragte er weiterhin. „Danke, dass ihr Schweden gewählt habt.“ Inhaltlich war zwar wenig Überraschendes dabei, berief er sich doch auf die Ideologie der Moderaten und sprach über Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Schule und das politische Weltgeschehen. Jedoch redete er frei und souverän und überzeugte viele Zuhörer und auch politische Kommentatoren mit seiner Energie und seinem Charisma. Reinfeldts Rede war vor allem von Humor und Witz geprägt, wobei einige Kommentatoren wiederum die für einen Ministerpräsidenten angemessene Seriosität vermissten. Kurzzeitig wurde Reinfeldt in seiner Rede durch eine Protestaktion der Gruppe Femen unterbrochen.
Auch wenn Reinfeldt für seine Rede allgemein gerühmt wurde, konnte er damit dennoch nicht die Zweifel ausräumen, ob er und seine Partei, die Moderaten, im September wiedergewählt werden würden. Möglicherweise war dies seine letzte große Rede als Ministerpräsident Schwedens.
Weitere Informationen: Das Video „Almedalen Week“ vermittelt einen Eindruck von der achttägigen Veranstaltung in Visby.
Die almedalswoche in den sozialen Medien.