Am vergangenen Freitag lud die Volksbühne Reykjavíks (noch) Bürgermeister Jón Gnarr zu einem Gespräch mit Publizist Richard David Precht, um “über sein Buch, seine politischen Ansichten und die Welt zu sprechen”. Durch den Abend führte Moderatorin Annette Brüggemann, unterstützt von zwei Dolmetscherinnen.
Jón Gnarr — Komiker, Künstler und Anarchist — gewann 2010 mit seiner Partei “Besti flokkurinn” (Beste Partei) die Kommunalwahl in Reykjavík und ist seitdem amtierender Oberbürgermeister. In seinem Buch “Hören Sie gut zu und wiederholen Sie!! Wie ich einmal Bürgermeister wurde und die Welt veränderte” beschreibt er seinen Werdegang, die Entstehung der Besten Partei und allgemeine Lebensweisheiten.
Ohne Frage ist Jón Gnarr eine sehr spannende Persönlichkeit. Richard David Precht beschrieb ihn eingangs als “einen Außenseiter, der viel dafür tue, um ein solcher zu bleiben” und als “den möglicherweise Einzigen im Politikbetrieb, der die Wichtigkeit des Humors nicht unterschätze”. Als Gründer der Besten Partei karikiere Gnarr mit seiner Vermessenheit die verstaubten Verhaltensweisen der Politik. Den Wahlversprechen der anderen setzte er immer noch eins drauf und hielt so der Unglaubwürdigkeit des politischen Gebarens den Spiegel vor.
Leider hat die Veranstaltung der Volksbühne nur einen begrenzten Einblick in Gnarrs Humor und seine Originalität geben können. Der Ankündigung, den “Autor im Gespräch” zu erleben, wurde die Veranstaltung nicht gerecht. Denn ein Gespräch war es eben nicht. Es glich eher einer, aufgrund von technischen Problemen, immer etwas zeitverzögerten Übertragung. Umständlicherweise richtete die Moderatorin eine Frage an Gnarr, die von seiner Dolmetscherin übersetzt wurde, woraufhin er scheinbar sehr überlegt auf isländisch antwortete. Und dann wartete man gespannt auf die konzentriert mitschreibende deutsche Dolmetscherin – die dann das Gesagte allerdings unendlich trocken wiedergab.
Während Gnarrs Antworten waren immer wieder Lacher von den des Isländischen mächtigen Zuhörern zu vernehmen, die so unmittelbar an Gnarrs Humor teilhaben konnten. Das war dem anderen Teil des Publikums leider nicht vergönnt, für sie gingen Gnarrs Witze wohl überwiegend “lost in translation”. Immerhin konnten aber englisch untertitelte Einspieler einen kleinen Eindruck von Gnarrs Komik und dem künstlerischen Konzept seiner Besten Partei vermitteln. Richard David Precht war wohl die Rolle eines Kommentators zugedacht, der das, was Gnarr zu sagen hatte, in einen größeren Zusammenhang einzuordnen oder mit den Verhältnissen in Deutschland zu vergleichen hatte. Doch auch hier fehlte die Unmittelbarkeit einer spontan aufkommenden Diskussion, denn alles Gesagte lief über die Moderatorin, die ihre Fragen nur abwechselnd an ihre Gesprächspartner richtete, und die nur bemühten Dolmetscherinnen. Gnarr konnte so auch kaum auf die meist sehr eloquenten und gut durchdachten Gedanken Prechts reagieren, da ihm wahrscheinlich nur die Hälfte auf Isländisch zugeflüstert werden konnte. Auf seine langen Antworten ging die Moderatorin dann auch nicht weiter ein, vielmehr wollte sie wohl ihre vorbereiteten Fragen der Reihe nach abhaken. Liest man Gnarrs Buch, muss man leider auch feststellen, dass Frau Brüggemann scheinbar keine weitere Quelle als eben dieses zur Hand hatte und wahrscheinlich deshalb ihre Fragen nicht in unbekannte Bahnen lenken wollte oder konnte.
Eines kann man dieser Veranstaltung aber zugute halten: Es ist zumindest gelungen, neugierig auf Jón Gnarr zu machen, sodass man durchaus Lust bekommen hat, mehr über ihn als Künstler und seine unglaubliche Geschichte – wie er denn einmal Bürgermeister wurde – zu erfahren.
»Ich verteile die Macht. Mein Ziel ist es, mich selbst abzuschaffen.«
Man sollte in jedem Fall sein Buch lesen, das am Freitag erscheint. Denn dieses spart nicht an Ironie, Komik und Geistesblitz und stellt sich dem Leser ohne Zeitverzögerung! (Eine ausführliche Rezension hier!)
Anbei noch Jón Gnarrs Film über die Entstehung der Partei bis zu den Kommunalwahlen:
Und der Wahlspot der Besten Partei:
Info:Titel: Hören sie gut zu und wiederholen sie!!! Wie ich einmal Bürgermeister wurde und die Welt veränderte
Autor: Jón gnarr
Erscheinungsjahr: 2014, Tropen Verlag, 175 Seiten
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