Simply the best und noch einen obendrauf: Jón Gnarr

9783608503227Am ver­gan­genen Fre­itag lud die Volks­bühne Reyk­javíks (noch) Bürg­er­meis­ter Jón Gnarr zu einem Gespräch mit Pub­lizist Richard David Precht, um “über sein Buch, seine poli­tis­chen Ansicht­en und die Welt zu sprechen”. Durch den Abend führte Mod­er­a­torin Annette Brügge­mann, unter­stützt von zwei Dolmetscherinnen. 
Jón Gnarr — Komik­er, Kün­stler und Anar­chist — gewann 2010 mit sein­er Partei “Besti flokkurinn” (Beste Partei) die Kom­mu­nal­wahl in Reyk­javík und ist seit­dem amtieren­der Ober­bürg­er­meis­ter. In seinem Buch “Hören Sie gut zu und wieder­holen Sie!! Wie ich ein­mal Bürg­er­meis­ter wurde und die Welt verän­derte” beschreibt er seinen Werde­gang, die Entste­hung der Besten Partei und all­ge­meine Lebensweisheiten.

Ohne Frage ist Jón Gnarr eine sehr span­nende Per­sön­lichkeit. Richard David Precht beschrieb ihn ein­gangs als “einen Außen­seit­er, der viel dafür tue, um ein solch­er zu bleiben” und als “den möglicher­weise Einzi­gen im Poli­tik­be­trieb, der die Wichtigkeit des Humors nicht unter­schätze”. Als Grün­der der Besten Partei karikiere Gnarr mit sein­er Ver­messen­heit die ver­staubten Ver­hal­tensweisen der Poli­tik. Den Wahlver­sprechen der anderen set­zte er immer noch eins drauf und hielt so der Unglaub­würdigkeit des poli­tis­chen Gebarens den Spiegel vor.

Lei­der hat die Ver­anstal­tung der Volks­bühne nur einen begren­zten Ein­blick in Gnarrs Humor und seine Orig­i­nal­ität geben kön­nen. Der Ankündi­gung, den “Autor im Gespräch” zu erleben, wurde die Ver­anstal­tung nicht gerecht. Denn ein Gespräch war es eben nicht. Es glich eher ein­er, auf­grund von tech­nis­chen Prob­le­men, immer etwas zeitverzögerten Über­tra­gung. Umständlicher­weise richtete die Mod­er­a­torin eine Frage an Gnarr, die von sein­er Dol­metscherin über­set­zt wurde, woraufhin er schein­bar sehr über­legt auf isländisch antwortete. Und dann wartete man ges­pan­nt auf die konzen­tri­ert mitschreibende deutsche Dol­metscherin – die dann das Gesagte allerd­ings unendlich trock­en wiedergab.

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Während Gnarrs Antworten waren immer wieder Lach­er von den des Isländis­chen mächti­gen Zuhör­ern zu vernehmen, die so unmit­tel­bar an Gnarrs Humor teil­haben kon­nten. Das war dem anderen Teil des Pub­likums lei­der nicht vergön­nt, für sie gin­gen Gnarrs Witze wohl über­wiegend “lost in trans­la­tion”. Immer­hin kon­nten aber englisch unter­titelte Ein­spiel­er einen kleinen Ein­druck von Gnarrs Komik und dem kün­st­lerischen Konzept sein­er Besten Partei ver­mit­teln. Richard David Precht war wohl die Rolle eines Kom­men­ta­tors zugedacht, der das, was Gnarr zu sagen hat­te, in einen größeren Zusam­men­hang einzuord­nen oder mit den Ver­hält­nis­sen in Deutsch­land zu ver­gle­ichen hat­te. Doch auch hier fehlte die Unmit­tel­barkeit ein­er spon­tan aufk­om­menden Diskus­sion, denn alles Gesagte lief über die Mod­er­a­torin, die ihre Fra­gen nur abwech­sel­nd an ihre Gesprächspart­ner richtete, und die nur bemüht­en Dol­metscherin­nen. Gnarr kon­nte so auch kaum auf die meist sehr elo­quenten und gut durch­dacht­en Gedanken Prechts  reagieren, da ihm wahrschein­lich nur die Hälfte auf Isländisch zuge­flüstert wer­den kon­nte. Auf seine lan­gen Antworten ging die Mod­er­a­torin dann auch nicht weit­er ein, vielmehr wollte sie wohl ihre vor­bere­it­eten Fra­gen der Rei­he nach abhak­en. Liest man Gnarrs Buch, muss man lei­der auch fest­stellen, dass Frau Brügge­mann schein­bar keine weit­ere Quelle als eben dieses zur Hand hat­te und wahrschein­lich deshalb ihre Fra­gen nicht in unbekan­nte Bah­nen lenken wollte oder konnte.

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Eines kann man dieser Ver­anstal­tung aber zugute hal­ten: Es ist zumin­d­est gelun­gen, neugierig auf Jón Gnarr zu machen, sodass man dur­chaus Lust bekom­men hat, mehr über ihn als Kün­stler und seine unglaubliche Geschichte – wie er denn ein­mal Bürg­er­meis­ter wurde – zu erfahren.

»Ich verteile die Macht. Mein Ziel ist es, mich selb­st abzuschaffen.«

Man sollte in jedem Fall sein Buch lesen, das am Fre­itag erscheint. Denn dieses spart nicht an Ironie, Komik und Geis­tes­blitz und stellt sich dem Leser ohne Zeitverzögerung! (Eine aus­führliche Rezen­sion hier!)

Anbei noch Jón Gnarrs Film über die Entste­hung der Partei bis zu den Kommunalwahlen:

Und der Wahlspot der Besten Partei:

Info:
Titel: Hören sie gut zu und wieder­holen sie!!! Wie ich ein­mal Bürg­er­meis­ter wurde und die Welt veränderte
Autor: Jón gnarr
Erschei­n­ungs­jahr: 2014, Tropen Ver­lag, 175 Seiten

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